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Koreanischer Klassenkampf ohne Happy End

Parasite – Finde den Eindringling

Wenn man die Handlung des Films des koreanischen Regisseurs Bong Joon-ho auf den einschlägigen Internetplattformen und in Zeitschriften liest, erscheint sie ziemlich verworren, allein schon der koreanischen Namen wegen, die für uns alle irgendwie gleich klingen. Doch wenn man sich den Film ansieht, wird alles ganz einfach, klar und problemlos nachvollziehbar: Ki-woo, Sohn der vierköpfigen Familie Kim, die am untersten Rand der Gesellschaft in einer Kellerwohnung haust, bekommt auf Empfehlung eines ehemaligen Schulfreunds einen Job als Nachhilfelehrer für Englisch bei der sehr reichen Familie Park. Ki-woos Schwester fälscht dafür ein Diplom. Ki-woo bringt daraufhin seine Schwester als Kunsttherapeutin für den Sohn der Familie Park unter, natürlich unter falschem Namen und ohne dass Familie Park weiß, dass der Nachhilfelehrer und die Therapeutin Geschwister sind.



Nachhilfelehrer, Kunsttherapeutin, Chauffeur und Haushälterin unter einem Dach

Daraufhin erreicht die „Kunsttherapeutin“ durch einen fiesen Trick, dass der Chauffeur der Familie Park entlassen und dafür der Vater der beiden Kims angestellt wird, selbstverständlich auch unter falschem Namen und ohne dass die reiche Familie ahnt, wer der neue Fahrer wirklich ist. Schlussendlich bringen die drei auch noch die Ehefrau und Mutter der Kims als Haushälterin im reichen Haushalt unter, nachdem die „Kunsttherapeutin“ der langjährigen Haushälterin eine TBC-Erkrankung angedichtet hat und diese somit eine Gefahr für die Kinder der Familie Park darstellt. Leider hat die entlassene Haushälterin, ohne dass die Familie Park es weiß, im tiefen Keller, der nur durch einen geheimen Zugang zu finden ist, ihren Mann versteckt, und zwar noch bevor die Familie Park das Haus vom Architekten, der das Haus für sich gebaut hatte, kaufte. Als die Familie Park einen mehrtägigen Ausflug plant, kommt die frühere Haushälterin zurück, um ihren Mann zu versorgen. Ohne den ganzen Inhalt zu referieren und dem Besucher damit die Spannung zu nehmen, sei erwähnt, dass damit eine äußerst spannende, unterhaltsame, stellenweise atemberaubende Handlung ihren Lauf nimmt.


Unwetter, die die Gesellschaft spalten 

Das überwältigende, kolossale Ende des Films, der über weite Strecken sehr witzig ist, lässt den Betrachter sehr nachdenklich und zum Teil betreten zurück. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist äußerst drastisch dargestellt: Wenn man arm ist, lebt man unten, sozusagen im Dreck: im Film lebt die Familie Kim im Keller, der bei einem Unwetter nahezu völlig überschwemmt wird, wobei auch noch Schmutzwasser aus der Toilettenschüssel herausquillt und herausspritzt. Und: Armut stinkt. Der üble (Körper- bzw.) Kleidergeruch des Fahrers ist es, der letztendlich zur finalen Tragödie führt. Und Reichtum ist immer oben. Deswegen lebt die reiche Familie Park in einer äußerst großzügigen, hellen, modernen Villa, die auf einer Anhöhe steht. Die Opposition von Arm und Reich könnte filmisch nicht drastischer herausgearbeitet werden.

Reichtum riecht nicht nur gut, reiche Menschen sehen auch gut aus, sie sind sehr gepflegt, können sich alles leisten, müssen sich beim Einkauf keine Gedanken machen, können sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, arm zu sein, in einem Keller leben zu müssen, in den nur notdürftig, eben durch Kellerfenster, Licht fällt. Wer gut riecht und immer gute Luft atmen kann, der kann auch nicht verstehen, wieso Menschen stinken. Man müsse sich doch nur etwas Frisches anziehen, sich waschen oder in die Badewanne legen. Kurz: Es fehlt das Verständnis für die Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft.

Parasite erreichte mit 3,5 von 4 möglichen Punkten in Cannes den höchsten Wert aller Wettbewerbsfilme der Festspiele 2019. Er ist in Frankreich seit Fahrenheit 9/11 aus dem Jahr 2004 der erfolgreichste Film. In der britischen Tageszeitung The Guardian konnte man lesen, dass der Erfolg des Films auch damit zu tun habe, dass er die sozialbewusste Jugend in besonderer Weise anspreche.


Wie ich den Film fand

Mich beeindruckte der Film deswegen so stark, weil er – ähnlich wie Shoplifters, dem Film über die japanische Pseudofamilie, die sich durch Diebstahl über Wasser hält – mich mit einer Welt und Gesellschaftsform konfrontiert, die so ganz anders scheint, als unsere westeuropäisch-amerikanische Lebensform. Dabei schmerzt Armut in Korea oder Japan genauso wie etwa in Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern oder New Mexico oder Wales. Und Reichtum spaltet dort wie hier die Gesellschaft, er sprengt hier wie dort alle Grenzen und gibt die Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft der Lächerlichkeit preis.

Insofern ist dies nicht nur ein bemerkenswert guter Film, der mit so mancher Klischeevorstellung spielt und sie konsequent zu einem absurden Ende führt, sondern ein hochaktueller Beitrag, der unser soziales Gewissen anspricht, der an unsere Humanität appelliert und der den Betrachter deswegen noch lange nach dem Abspann nicht los lässt und ihn zum Nachdenken zwingt. Für mich ein Highlight des Filmjahrs 2019.

Josch 15.12.2019, 20.15

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von karin

ich möchte nicht vergessen, Ihnen ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen, und für das Neue Jahr beste Gesundheit, viel Glück und Freude

vom 22.12.2019, 13.49
Antwort von Josch:

Vielen herzlichen Dank. Ich darf die guten Wünsche aus ganzem Herzen erwidern.
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