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Ausgewählter Beitrag

Die Wunderkammer der deutschen Sprache

Schwelgen in den Schönheiten und Merkwürdigkeiten der deutschen Sprache

Durch einen glücklichen Umstand bin ich auf dieses wunderbare Buch aufmerksam geworden. Wer auf der Suche nach Lesestoff ist, bedient sich häufig der unterschiedlichen Bestsellerlisten, die die jeweiligen Bücher nach Absatz absteigend und streng nach Genres und Konfektionsart (Taschenbuch, gebundene Ausgabe, Broschur etc.) getrennt auflisten.

Besondere Bedeutung für Buchempfehlungen kommt natürlich den diversen Feuilleton-Seiten der großen Tageszeitungen zu. Und heutzutage haben vor allem die diversen Fernseh-Talkrunden großen Einfluss auf den Erfolg eines Buches. Talkrunden haben für den Zuschauer den großen Vorteil, dass er sich über den Autor ein Bild machen und damit subjektiv einschätzen kann, ob das Buch interessant ist oder nicht. Ob allerdings die Herausgeber des Buches „Die Wunderkammer der deutschen Sprache“ es wegen des Buches in eine solche Talkrunde schaffen, möchte ich bezweifeln.



Das Buch bedient ja keinen Mainstream. Obwohl es gar nicht so schlecht wäre, wenn sich viele Menschen dieses wunderbare Buch kaufen, es nicht nur einmal lesen und dann in den Bücherschrank stellen, sondern immer wieder einmal darin blättern, schmökern und das eine oder andere Wort nachschlagen würden.

 

Ein wahres Füllhorn an Kuriositäten

Das Buch ist ein Füllhorn – ursprünglich das Horn der Göttin des Erntesegens – an Kuriositäten und Besonderheiten der deutschen Sprache – nicht systematisch-langweilig gegliedert und aufgebaut, und gerade deswegen interessant und höchst informativ, ja spannend und witzig. Schon in der Vorbemerkung legen die Herausgeber dar, wie sie auf das Thema des Buches gekommen sind: „Wunderkammer“, in ihr kommt „das Unfassbare, Erstaunliche des Wunders und die Vertrautheit, das Private der 'Kammer' zusammen". Es trägt „den Zauber des Althergebrachten in sich“ und löst Erinnerungen aus an „Märchen, Kostbarkeiten und Vorräten“.

Inhaltlich geht es in dem Buch um Merkwürdigkeiten, Besonderheiten, um Lieblingswörter verschiedener Kulturschaffender, um Küchendeutsch, Gestelztheiten, um Geheim- und Privatsprachen, um regionale Schimpfwörter, um Anagramme (Umstellung der in einem Wort enthaltenen Buchstaben zu anderer Reihenfolge und neuem Sinn. Beispiel: Lampe – Palme) und Palindrome (Wort oder Wortreihe, das bzw. die vorwärts wie rückwärts gelesen einen Sinn ergibt. Beispiel: stets, Otto, Retsinakanister).

 

Kein banales Wörterbuch

Aber dieses Buch ist nicht nur Wörterbuch. Es ist Sprachatlas (unterschiedliche Wörter mit der gleichen Bedeutung in unterschiedlichen Regionen in Deutschland, der Schweiz und Österreich) ebenso wie Sammlung vergessener oder veralteter Bezeichnungen und Wörter (einzige Kritik an diesem wunderbaren Buch: es kennt offenbar den Unterschied von Worten und Wörtern nicht, wie leider immer häufiger in der Umgangssprache: Die Worte sind bekanntlich ein Satz, eine Redewendung etc., Beispiel: „Die Worte des Vorsitzenden“, die nicht das Gleiche sind wie „Die Wörter des Vorsitzenden“). Das Buch ist auch feine, ironische Auseinandersetzung mit deutschen Dichterfürsten wie Goethe oder den Manns. Es ist eine Sammlung wunderbarer bekannter und seltener Sprichwörter, Auflistung falscher mittelhochdeutscher und hochdeutscher Freunde, Beispiel: mhd. balt heißt eben nicht bald, sondern tapfer, kühn, schnell. Es listet verschiedene deutsch-türkische Begriffe auf, die nicht nur ähnlich klingen, sondern auch die gleiche Bedeutung haben.

 

Die Gestaltung des Buches

Einmal im Jahr werden auf der Frankfurter Buchmesse von der Stiftung Buchkunst die schönsten Bücher des Jahres ausgezeichnet und vorgestellt. Für Grafiker war diese Präsentation früher immer ein absolutes Muss. Dieses Buch hat meines Erachtens unbedingt einen Preis verdient für die außergewöhnlich schöne, ästhetische und eindrucksvolle grafische Gestaltung. Da wurde der Inhalt nicht einfach hintereinander abgesetzt. Man spürt, dass sich die Gestalter des Buches sehr viele Gedanken dazu gemacht haben, wie man das außergewöhnlich vielgestaltige Füllhorn so vermittelt, dass der Leser das Buch immer wieder gern in die Hand nimmt, darin blättert, entdeckt und sich festliest. Solchen Büchern begegnet man nicht häufig in der schnelllebigen Konsumwelt, die auch die Verlage seit vielen Jahren erfasst hat und ihre Programmmacher vor sich hertreibt. Klar, nur ein verkauftes Buch ist für die allermeisten Verleger auch ein gutes Buch. Und da bin ich auch schon beim letzten Punkt, der mich, der ich seit 1978 mit Büchern meinen Lebensunterhalt verdiene, ungemein beeindruckt hat, und das ist der Verlag. Die Verantwortlichen haben einen Verlag gegründet, dem es nicht um den Gewinn mit den Büchern geht, sondern um die Kultur und das kulturelle Erbe, das mit Büchern verbunden ist. Und dennoch muss zumindest die nicht unerhebliche Investition in ein solches Werk auch wieder in die Kasse gespült werden. Daher kann ich auch aus diesem Grund nur hoffen und wünschen, dass das Buch viele viele Leser findet.

Thomas Böhm/Carsten Pfeiffer (Hrsg.): Die Wunderkammer der deutschen Sprache. Gefüllt mit Wortschönheiten, Kuriositäten, Alltagspoesie und Episoden der Sprachgeschichte. Verlag das kulturelle Gedächtnis. Berlin 2019. 304 Seiten. Zweifarbig. Gebunden. Lesebändchen. ISBN 978-3-946990-31-4. 28,00 €

 

Josch 14.01.2020, 17.56

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Wilfred N.

Danke für diesen tollen Buchtipp. Da fallen mir sofort einige liebe Menschen ein, denen ich das Buch schenken könnte (inkl. mir selber)
Wilfred

vom 14.01.2020, 18.06
Antwort von Josch:

Es freut mich sehr, dass ich mit diesem Buch Ihre Lesevorlieben getroffen habe. LG
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