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Wer stärker fühlt, hat mehr vom Leben

Die Kraft der Sensibilität

Noch vor drei Monaten sah es so aus, als hätten nur die Menschen Erfolg, die sich lautstark und mit Macht durchsetzen können. Manager in Leitungspositionen, so schien es, können es sich nicht leisten, sich mit Gefühlen, mit Emotionen auseinanderzusetzen. Wer wirtschaftlich erfolgsorientiert denkt, für den zählen ausschließlich sachliche Gründe, da sind Gefühle nur hinderlich. Und wenn ein Mitarbeiter im Unternehmensgefüge Gefühle zeigte, dann war er in vielen Augen wegen seiner Sensibilität krank und hinderlich für den geschäftlichen Erfolg. „Ob der für diese Aufgabe geeignet ist? Der ist doch so sensibel!“, so redet(e) man hinter vorgehaltener Hand über ihn.

Und nun spült eine Pandemie Gefühle an die Oberfläche, fordert auch von sonst kühl agierenden Menschen Sensibilität ein, zumindest neben aller gebotenen Sachlichkeit und Rationalität das Gefühl für andere: Welchen Abstand muss ich einhalten? Wie kann ich mich und andere schützen? Wie einander helfen? etc.  In diese Situation kommt ein Buch wie „Wer stärker fühlt, hat mehr vom Leben“ von Kathrin Sohst wie gerufen. Ohne auf die Pandemie zu rekurrieren, die verständlicherweise beim Entstehungsprozess des Buches noch nicht ausgebrochen war, zeigt die Autorin mit ihrem Buch, welche Kraft Sensibilität entwickeln kann und dass Empfindsamkeit für unser Leben bereichernd ist.



„Mit Empathie lassen sich keine Pokale gewinnen“

„Wer sensibel ist, spürt früher als andere, was sich langfristig auf alle Menschen auswirkt“, schreibt die Autorin an einer Stelle, ein Satz, der nahezu als hellsichtig bezeichnet werden kann. Und an anderer Stelle heißt es: „Mit Empathie lassen sich keine Pokale gewinnen.“ Gemeint ist damit ein nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft bestimmender destruktiver Konkurrenzkampf, der die Menschen letztendlich krank macht. Im Buch auf die Formel gebracht: „Warum Kooperation besser ist als Konkurrenz.“ Die Autorin wirbt mit ihrem Buch für eine neue Empfindsamkeit, die gekennzeichnet ist von emphatischem Verhalten, von Verständnis und Vielfalt, von Weitblick und sinnvollem Handeln. „Jeder ist fähig, etwas zu tun – in seinem Inneren und in der Folge auch im Außen. Empathisch und kooperativ zu sein heißt aber nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen.“


Basisemotionen

Ich kann und will hier nicht das gesamte Buch referieren, das würde den Rahmen meiner bescheidenen Besprechung sprengen. Hervorheben möchte ich jedoch zwei Inhalte, die mich in besonderer Weise angesprochen haben: das sind einmal die von der Autorin im Rückgriff auf die Forschungsergebnisse von Paul Ekman, einem ehemaligen Professor für Psychologie in San Francisco, so bezeichneten sieben Basisemotionen: Trauer, Furcht, Zorn, Freude, Erstaunen, Verachtung und Ekel. Wie sich extreme Emotionen steuern lassen, das zeigt die Autorin am Beispiel der Basisemotion Verachtung.

Und der zweite inhaltliche Aspekt, der mich nicht nur der Aktualität wegen in besonderer Weise angesprochen hat, ist das Thema Berührung: „Wir nehmen nicht nur unsere Mitmenschen, sondern auch uns selbst über den Tastsinn wahr.“ Berührungen sind für uns elementar wichtig. Daher sehnen wir uns auch danach, wieder in einen Normalzustand zurückzukehren, in dem wir auch Menschen berühren dürfen, die nicht mit uns zusammenleben, die man aber gern einfach einmal in den Arm nehmen würde.

Ganz besonders gelungen finde ich die vielen praktischen Übungen im Buch. Sie helfen dabei, die Inhalte ganz individuell auf sich zu beziehen und zu vertiefen. Das sind Fragen, meditative Impulse und Beispiele mit Raum für persönliche Notizen und Anmerkungen zu den Themen des Buches, von Achtsamkeit, über Emotionen, Empathie, Ernährung, Gedanken, Gefühlen bis hin zum zentralen Thema: der Sensibilität.


Fazit

Das Buch ist ein rundum informativer und hilfreicher Ratgeber, der aufgrund seiner vielen praktischen Beispiele und Übungen zum Nachdenken anregt und das Potenzial für Veränderung beim Leser weckt. Was meinen sehr positiven Eindruck etwas getrübt hat, sind die nicht immer standardsprachlichen Schreibweisen und die inkonsequente Zeichensetzung. Auch wenn viele Menschen etwas falsch schreiben, wird es dadurch ja nicht richtiger.


Kathrin Sohst, Jahrgang 1979, ist PR-Beraterin, Emotional Leadership Practitioner und Coach. Sie hat den ersten deutschen Kongress zum Thema Hochsensibilität initiiert, hält regelmäßig Vorträge und ist medial sehr gut vernetzt. Die Tests für dieses Buch hat sie gemeinsam mit einer Psychologin erarbeitet. Die Naturliebhaberin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Hamburg.


Kathrin Sohst: Wer stärker fühlt, hat mehr vom Leben. Warum Sensibilität eine verborgene Kraft ist und wie sie uns die Welt eröffnet. dtv Verlag. München 2020, 256 Seiten. ISBN 978-3-423-26261-3,

16,90 €

Josch 30.04.2020, 11.51

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Kathrin Sohst

Sehr geehrter Herr Pöllath,

vielen Dank für diese wertschätzende und großartige Buchbesprechung zu meinem Buch "Wer stärker fühlt, hat mehr vom Leben". Es ist die erste mir bekannte Buchbesprechung. Sie können sich sicher vorstellen, wie gut es tut, so einen Text zu lesen! Ich bin selbst überrascht, wie gut das Buch in diese Zeit passt. Geahnt habe ich zwar, dass ein größerer Wandel ansteht. Doch was und wie schnell das passieren würde, war auch mir nicht klar. Ich wünsche Ihnen einen guten Weg durch diese intensive Zeit. Herzlich - Kathrin Sohst

@Christel Boßbach: Ich bin ganz bei Ihnen. Das Zitat bezieht sich tatsächlich auch auf das bisherige "Ansehen" von Empathie in der Gesellschaft. Im Buch geht es dann darum, dass die sehr sensiblen Menschen sich auch erlauben dürfen, weniger Empathie an den Tag zu legen (weil der Grad ihrer Empathie dann für sie selbst "gesünder" ist) und die, die weniger sensibel sind, ihre Empathie gerne auch etwas trainieren können. So können die unterschiedlich sensiblen Menschen voneinander lernen und einen Weg finden, miteinander zu kommunizieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Ich wünsche Ihnen viele bereichernde Begegnungen und Beziehungen. Herzlich - Kathrin Sohst

vom 04.05.2020, 19.57
Antwort von Josch:

Danke für die Rückmeldung.
1. von Christel Boßbach

Mit Empathie lässt sich nur in den seltensten Fällen neben Pokalen auch materielle Sicherheit gewinnen - aber sie wird zurückgezahlt in den "Währungen" Wertschätzung und Selbstwirksamkeit. Auch und gerade in Corona-Zeiten und im dadurch beschränkten Umfeld. Meine Erfahrung: Es entstehen durch kurze Gespräche und kleine Hilfeleistungen - natürlich auf Abstand - im wahrsten Sinne des Wortes "bereichernde" Beziehungen.

vom 30.04.2020, 13.16
Antwort von Josch:

Empathie ist keine "betriebswirtschaftlich" messbare Größe. Aber die von dir genannten "Währungen" Wertschätzung und Selbstwirksamkeit sind unbezahlbar. Ich danke dir für deinen wertvollen Impuls.
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