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1917 – Zeit ist der Feind

Unüberbietbare Bilder des Grauens

Der Film 1917 handelt von zwei britischen Unteroffizieren, die im Juni 1917 an der nordfranzösischen Front von ihrem General den Befehl bekommen, dem Colonel des zweiten Bataillons die Nachricht zu überbringen, einen geplanten Angriff nicht auszuführen, da sein Bataillon mit 1600 Mann damit in eine von den Deutschen perfide geplante Falle tappen würde. Die beiden Unteroffiziere William Schofield und Tom Blake müssen dabei 14 Kilometer feindliches Gebiet durchqueren, um hinter die deutsche Front zu kommen. Sollten sie dies nicht bis zum nächsten Morgen schaffen, droht ein Massaker. Und das Schlimmste für Blake: unter den Soldaten befindet sich auch sein fünf Jahre älterer Bruder, der als Leutnant im zweiten Bataillon dient. Blakes Bruder und seine Fähigkeit, Karten zu lesen, sind schlussendlich die perfiden Gründe, warum man ihn für diese äußerst gefährliche Aktion ausgesucht hat.



Eine Menschenmaterialschlacht sondergleichen

Blake macht sich wild entschlossen und getrieben von der Angst um seinen Bruder auf den Weg, zögerlich begleitet von seinem Kameraden Schofield, der lieber die Nacht abwarten würde, da dies seiner Erfahrung nach die Gefahren deutlich reduzieren würde. Doch Blake kann nichts und niemand zurückhalten. Notfalls ginge er auch allein. Ihr Weg führt sie durch verwaistes Gebiet, durch leere Schützengräben, verfallene Stellungen, leere Mannschaftsunterkünfte, durch Krater, vorbei an Bergen halb verwester Leichen, begleitet von fetten Ratten, die sich von zurückgelassenen Lebensmitteln und den Leichen der deutschen Soldaten ernähren. Besonders eindrucksvoll, wie Schofield das vergilbte Foto von einer Frau mit ihren Kindern, das ein deutscher Soldaten beim Rückzug offenbar an seinem Bett vergessen hat, liebevoll betrachtet. Die Nöte, Sehnsüchte und Gefahren sind auf beiden Seiten gleich. Das alles zeigt auf drastische Weise die ganze Brutalität des Krieges, dieser unvorstellbaren Materialschlacht, gepflastert von Bergen aufgedunsener, halbverwester, verschütteter Leichen. Leichen allüberall, die zeigen, dass der Mensch, der einfache Soldat den Verantwortlichen dieses Krieges nichts bedeutete: es war ja nur Menschenmaterial.


Die heroische Sicht der Realität und ein guter Ausgang

Bei der Durchquerung eines Bunkers löst eine Ratte eine Explosion aus, bei der Schofield von den herabstürzenden Steinen und Betonbrocken verschüttet wird. Blake gräbt den Freund mit den Händen aus den Trümmern und rettet ihm so das Leben. An einem verlassen Bauernhof werden sie Zeugen eines Luftkampfs, bei dem das deutsche Flugzeug abgeschossen wird. Blake und Schofield ziehen den Piloten aus dem Flugzeug. Während Schofield Wasser für den Verletzten holt, sticht der Pilot Blake nieder. Schofield erschießt den Piloten, Blake stirbt in seinen Armen. Schofield setzt seine Mission allein fort, entgeht mehrmals nur knapp dem Tod und kommt buchstäblich in allerletzter Sekunde im Offiziersunterstand an, um den Brief des Generals zu überreichen. Dann fragt er sich nach Blakes Bruder durch, überbringt diesem die schreckliche Nachricht vom Tod seines jüngeren Bruder und übergibt ihm dessen Ringe. 

Der Film des britischen Oscarpreisträgers Sam Mendes beruht auf Erzählungen seines Großvaters Alfred Mendes, der im Ersten Weltkrieg Meldegänger war. Meldegänger mussten wichtige Befehle zu Fuß überbringen, wenn es durch Kappung von Telefonleitungen, Sprengung von Brücken etc. keine anderen Möglichkeiten mehr gab, Nachrichten zu übermitteln. Es waren immer höchst gefährliche Missionen, bei denen viele ihr Leben lassen mussten.


Berge toter Soldaten, halb verwest, verfault und aufgedunsen

Die Bilder der halb verwesten, verfaulten, ertrunkenen, aufgedunsenen Leichenberge bringt man so schnell nicht aus dem Kopf. Das einzige, was ich bei diesem Film etwas befremdlich fand, war die Rolle des deutschen Piloten, der, selbst schwer verwundet, seinen Retter niedersticht. Das entspricht meines Erachtens nicht der Realität. Weiß man doch inzwischen, dass die Soldaten auf beiden Seiten unter dem Krieg sehr gelitten haben. Wie sonst wäre der Weihnachtsfrieden von 1914 zu erklären, bei dem beide Seiten inoffiziell die Kämpfe einstellten und miteinander Weihnachten feierten. Die Darstellung bedient eine meines Erachtens simple Schwarz-weiß-Sicht: hier heroisch gut, dort feige und niederträchtig. Mein Großvater nahm als sogenannter „Bursche“ eines Leutnants an der dritten Flandernschlacht teil. Bis zu seinem Tod vor über 50 Jahren sprach er immer wieder vom „anderen“ Krieg, wie er den Ersten Weltkrieg immer nannte. Ihm sind offensichtlich die grausamen Geschehnisse bis an sein Lebensende nicht mehr aus dem Kopf gegangen. 

Der Film ist keine leichte Kost. Ich war sehr froh, dass ich ihn nicht allein, sondern mit meinem Freund angesehen habe. So konnte ich wenigstens hinterher über meine Gefühle reden, die der Film in mir ausgelöst hat.

Josch 30.01.2020, 22.30

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