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Business Bullshit

Das lautlose Verschwinden deutscher Wörter

Um es vorweg zu sagen: Ich verwende lieber deutsche Wörter als englische, wenn ich deutsch spreche. Das macht doch jeder, oder? Leider das Nein. In der Alltagssprache und in verschiedenen Soziolekten zeigt sich ein lautloser Auszug deutscher Wörter. Der Vormarsch englischer Wörter in der deutschen Sprache ist unaufhaltsam. Wenn man sich offensiv zur deutschen Sprache bekennt, muss man aufpassen, dass man nicht in eine politische Ecke gestellt oder von irgendwelchen ewig Gestrigen ideologisch vereinnahmt wird. Das ist traurig, aber wahr.

Da ich die deutsche Sprache, seit ich denken kann, pflege und mit ihr arbeite, sind die Bücher aus dem Duden Verlag für mich sehr wichtig. Und das betrifft nicht nur die Wörterbücher, sondern auch die seit geraumer Zeit sehr wichtigen Publikationen wie das Jiddische Wörterbuch oder Antisemitismus in der Sprache oder wie Business Bullshit von Jens Bergmann.



Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen

Der Autor beobachtet die Verbreitung von Business Bullshit seit vielen Jahren, wie es im Klappentext heißt. Und er hat das Vorwort mit der Frage überschrieben: Sprechen Sie Business Bullshit? Er geht das Problem – und ich sage dazu ganz bewusst Problem – auf 208 Seiten sehr eingängig, logisch und nachvollziehbar an. Das Buch mit dem wunderbaren Untertitel „Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen“ ist für mich ein Plädoyer für die Verwendung der meist wesentlich differenzierteren deutschen Begriffe statt der „neudeutschen“ englischen Wörter. Warum zum Beispiel Wording verwenden und nicht Formulierung oder Ausdrucksweise oder Redewendung oder Wortlaut etc. Das wäre meines Erachtens wesentlich präziser.


Die Verbannung der Muttersprache

Der Aufstand gegen die Verwässerung der deutschen Sprache ist so alt wie (fast) die Sprache selbst. Schon Jacob Grimm kämpfte gegen die Vorherrschaft des Englischen, wie Rolf Hochhuth 2002 in einem bemerkenswerten Artikel mit dem Titel „Die Verbannung aus der Muttersprache“ in der Süddeutschen Zeitung darlegte. Er zitiert darin Jacob Burckhardt, der 1874 die „kommende Weltherrschaft der englischen Sprache“ prophezeit hatte.

Rolf Hochhuth führte als Beleg unter anderem die Anzahl der englischen Lizenzausgaben, also der Übersetzungen aus dem Englischen, an: Im Jahr 2002 wurden 5519 Bücher aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und lediglich 248 Bücher aus dem Deutschen ins Englische. 2019 waren es – wenn ich die Statistik richtig verstanden habe – 3495 belletristische Bücher aus dem Englischen, und nur 70 belletristische Bücher wurden aus dem Deutschen ins Englische übersetzt. Das liegt sicher auch daran, dass in den amerikanischen Agenturen und Verlagen niemand mehr Deutsch kann und also deutsche Bücher nicht lesen und beurteilen kann. Aber nicht nur daran.


Sprachpanscher

Wie furchtbar und auch lächerlich die Auswüchse dieses Trends sind, zeigte die deutsche Modedesignerin Jill Sander bei einem Vortrag bereits 1997, in dem sie unter anderem sagte: 

„Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audiance hat das alles von Anfang an auch supported.“ Der Verein Deutsche Sprache e.V. hat sie dafür 1997 zur Sprachpanscherin des Jahres ernannt, dem Negativpreis des Vereins.


Warum das Buch für mich so wichtig ist

Das Buch von Jens Bergmann ist mir deswegen so wichtig, weil es weder ideologisch noch politisch noch oberlehrerhaft ist. Inhaltlich passt dazu das Interview, das Gerhard Polt am 1. Mai 2021 in der Süddeutschen Zeitung gab und in dem er unter anderem sagte: „Der Mensch verändert sich und die Sprache. Es geht aber darum, dass jetzt Menschen anderen vorschreiben, wie sie zu reden haben, weil ihnen sonst ein Makel anhaftet. Ich will mich nicht zu einer bestimmten Redeweise zwingen lassen. Sprache gehört niemandem.“

Ohne Frage entwickelt sich Sprache, wie sich Menschen entwickeln und verändern. Das ist ganz normal. Sprachentwicklung muss aber von Sprachverarmung unterschieden werden, und vor allem sollte diese Sprachverarmung nicht noch weiter um sich greifen, wie das bereits mit vielen deutschen Dialekten geschehen ist. In München wurden früher mehrere unterschiedliche Dialekte gesprochen, um nur ein Beispiel zu nennen. Was ist also dagegen einzuwenden, wenn man sich gegen ideologisch oder politisch verordnete Sprachmuster wehrt? Eigentlich nichts, wie ich finde. Vielleicht sollte man einfach wieder mehr überlegen, wie man über etwas spricht. Damit man sein eigenes Sprachverhalten besser reflektieren kann, gibt es solche Bücher wie Business Bullshit. Es hat wahrscheinlich nicht die Kraft, den Vormarsch von Business Bullshit aufzuhalten, aber es hilft, sein eigenes Spracheverhalten zu überdenken und zu ändern.

Am Ende meines Blogbeitrags habe ich das Bullshitwort „zeitnah“ als Hörbeitrag eingelesen.


Jens Bergmann: Business Bullshit. Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen. Duden 2021.208 Seiten. Klappenbroschur. ISBN 978-3-411-71574-9. LP 15,00 €


Über den Autor

Jens Bergmann, Jahrgang 1964, studierte Psychologie und Journalistik. Er absolvierte die Henri-Nannen-Schule und arbeitete für verschiedene Medien. Seit 2017 ist er stellvertretender Chefredakteur des Magazins brand eins. Bergmann lehrt u.a. am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg.

Josch 05.05.2021, 16.03

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Rainer Kirmse

EIN HOCH DER DEUTSCHEN SPRACHE

Das Brett ist Board geworden,
Anglizismen allerorten.
Sie surfen, skaten, kiten
Durch wahrhaft moderne Zeiten.
Es wird gelikt und gestreamt,
Wie sich's für Hipster so geziemt.

Nicht klagen, nicht verzagen, ?
Einfach wieder mehr Deutsch wagen.

Wir sagen No
Zu Coffee to go,
Weg mit Center und Shop,
Kein come in and find out;
Dem Denglisch Stopp,
Fordern wir laut.
Geh'n wir ran,
Und sagen
Sprachpanschern
Den Kampf an.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus Thüringen

vom 16.01.2022, 09.02
Antwort von Josch:

Danke für das Gedicht.
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