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David: Versuch einer fiktionalen Annäherung

David-Roman. Werkstattbericht

Ich hatte zwar in meinem Blogbeitrag »König-David-Report« vom 2. Oktober 2022 angekündigt, in nächster Zeit immer wieder einmal Auszüge aus meinem unveröffentlichten und noch nicht abgeschlossenen David-Roman auf meinem Blog vorzustellen, doch scheint mir ein Werkstattbericht wichtiger zu sein.   

Ich bin kein alttestamentlicher Exeget, der sich wissenschaftlich mit der Bibel beschäftigt. Doch habe ich mich über viele Jahre hinweg mit David, dieser äußerst umstrittenen Figur der Bibel, beschäftigt. Ich habe den Roman leider nie abgeschlossen, weil mich die Rückmeldungen von zwei Lektoren, denen meine damalige Agentin das Exposé und eine Leseprobe zuschickte, »ausbremsten«.



Absagen der Verlage

Der eine schrieb: »Wir haben uns gegen o.g. Titel entschieden und schicken mit gleicher Post das Manuskript zurück. Das Thema ist gut, anfangs zieht Sprache und Handlung rein, verliert dann aber an Intensität und verliert sich in Details, was kolportagenhaft wirkt

Die andere Rückmeldung lautete: »Wir haben das Manuskript inzwischen hier im Lektorat geprüft. In der vorliegenden Fassung halten wir eine Veröffentlichung bei uns nicht für sinnvoll. Die Idee, das positive Bild, das die Bibel von der Person Davids vermittelt, in einem Roman kritisch zu hinterfragen, ist sehr interessant. Aber: Da ist auch noch das große Vorbild: Der König David Bericht von Stefan Heym.

Für einen historischen Roman, der auch am Markt erfolgreich sein soll, müsste das Manuskript aber sicherlich kräftig überarbeitet werden: Eine spannende Szene zu Beginn und eine etwas lebendigere Gestaltung einzelner Passagen, z.B. der Kampfszene gegen Goliath, sollten den Leser von Anfang an in die Handlung hineinziehen. Die in unserem Haus erscheinenden historischen Romane sind beim Publikum als handlungsbetont und aktionsreich bekannt.

Sollte der Autor also bereit sein, seinen Text unter dieser Prämisse nochmals zu überarbeiten, würde ich mich freuen, nochmals von Ihnen zu hören

Es gab aber auch eine positive Rückmeldung, allerdings war sie von der Agentur, nicht von einem Verlag: »Die Geschichte beginnt ungeheuer fulminant mit dem Kampf David gegen Goliath. Dramaturgisch spannend und schlüssig aufgebaut von der Szene auf der Schäferweide bis zum Feldlager König Sauls. – Da kann jemand sehr genau arbeiten und Spannung aufbauen! Ab und zu Nachlässigkeiten, die sich vor allem in dauerndem Tempuswechsel äußern, der nicht immer richtig ist. Da muss man genau aufpassen. Ungeheure Dichte in der Sprache, stellenweis fast lyrisch anmutend.

Starke Figur Davids, der Antipathie und Sympathie gleichermaßen auf sich vereint (Hassliebe) – ein sensibler, aber absolut machtgieriger und deshalb intriganter Mann, noch dazu hübsch und mit der Gabe der Empathie ausgestattet – die ideale Romanfigur!

Unbedingt schreiben, aber mit der Prämisse: Bei der Intensität ist genauestes sprachliches Arbeiten vonnöten. Unbedingt auf die Tempi achten und aufpassen, dass nach dem starken Anfang nicht dramaturgische Langeweile aufkommt

 

Der Schreibprozess

Das ist alles schon sehr lang her. Ich hatte bis dahin etwa 300 Normseiten geschrieben, neben meinem Job als Verlagsleiter in einem – damals – großen Konzern, war neun Monate lang jeden Tag um 4:30 Uhr aufgestanden, habe etwa 2,5 Stunden geschrieben und war danach in den Verlag gefahren. Die Lektoren wussten nicht, wer der Autor ist, da ich den Roman unter einem Pseudonym eingereicht hatte. Und mit den Rückmeldungen und Absagen habe ich mit dem Schreiben aufgehört, obwohl ich wusste, dass dies in jedem Verlag Tagesgeschäft ist. Ich habe einige Jahre später einmal im Internet recherchiert, wie viele Absagen bekannte Autoren erhalten haben:

Erich Maria Remarque zum Beispiel erhielt für seinen Roman »Im Westen nichts Neues« 120 Absagen. Es wurde das erfolgreichste Buch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Joanne K. Rowling bekam zu »Harry Potter« ein Dutzend Absagen von großen Verlagen. Der damals kleine Bloomsbury Verlag nahm das Manuskript an, angeblich auf Empfehlung der achtjährigen Tochter des Inhabers, und startete mit einer Auflage von 500 Stück. So wenig traute man dem Buch zu.

Umberto Eco erhielt für seinen Roman »Der Name der Rose« 36 Absagen.

James Patterson bekam für seinen Roman »The Thomas Berryman Number« 26 Absagen. Der Roman gewann danach den Edgar Award für den besten Erstlings-Krimi. Patterson hat inzwischen 71 Romane geschrieben und weltweit über 200 Million Exemplare verkauft …

… um nur einige bekannte Autoren zu nennen. Ich weiß, dass es nur einen Verlagslektor in irgendeinem Verlag geben muss, dem der Text gefällt, wenn er denn das Manuskriptangebot liest. Wenn er davon überzeugt ist, wird es ihm auch gelingen, Marketing, Vertrieb, Werbung und den Verleger davon zu überzeugen.

 

Wie es weitergeht

Eigentlich hätte ich mich damals nicht entmutigen lassen dürfen. Aber ich war einfach zu sehr gekränkt, meine narzisstische Seite gewann die Oberhand. Als ich meinen Roman vor Kurzem wieder einmal auf dem Rechner aufrief, fand ich den Text gar nicht so schlecht. Ich las erneut einige Davidromane, z.B. Grete Weils »Der Brautpreis«, Stefan Heyms »Der König David Bericht«, Louis de Wohls »König David« und Allan Massies »Ich, König David«. Und ich beschäftigte mich mit wissenschaftlicher Literatur, von Walter Dietrich und seinem Werk »Die frühe Königszeit in Israel« über Bibelatlanten bis hin zu Stefan Ark Nitsches »König David«, und ich bekam wieder Lust am Schreiben. Ich folge auch der Empfehlung, den Text zu überarbeiten, die Tempuswechsel zu korrigieren, und ich werde wahrscheinlich eine andere Ausgangssituation nehmen: Vielleicht lasse ich die Geschichte Davids von Abischag erzählen, die als junges Mädchen den alten David, dem es immer kalt war, im Bett wärmen musste.

Ob ich damit allerdings einen Verlag finde, der das Thema auch für die heutige Zeit interessant findet, steht auf einem anderen Blatt. Herrscher und Despoten gäbe es weltweit ja genug …

 

Josch 19.01.2023, 21.23

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Christel Boßbach

Als Journalistin kenne ich es so: der schnell verfasste Text wird rasch verbreitet - gesendet oder gedruckt. Kritik an Form und Stil ist selten, öfter der eigene Ärger, sich nicht besser ausgedrückt zu haben. Danke deshalb für die Einblicke in die literarische Schreibwerkstatt. Die Erkenntnis, dass eigentlich nur e i n Lektor begeistert werden muss, erinnert mich an Ernst Jandls Satz: "Ich habe einen Leser in Bad Nauheim."

vom 20.01.2023, 16.29
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