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Weihnachtsbotschaft in Krisenzeiten

"Das Licht leuchtet in der Finsternis..."
Wie jedes Jahr versenden wir vor Weihnachten und Neujahr an Freunde und Freundinnen, Bekannte, Verwandte, Geschäftspartner und Kolleginnen Weihnachtsgrüße, versehen mit den besten Wünschen fürs neue Jahr. Weihnachten ist das Familienfest schlechthin, und der Jahreswechsel hat große symbolische Bedeutung für Ende und Neuanfang. Da ist es ein Zeichen der Zusammen- und Zugehörigkeit, Menschen Gesundheit und Erfolg zu wünschen. Gesundheit, unser höchstes Gut, hat vielleicht noch nie eine größere Bedeutung gehabt wie in diesen Tagen, und zwar für alle Menschen, auch für jene, die vor Kraft strotzen und den Eindruck erwecken, dass es nichts gibt, was ihnen etwas anhaben könnte. Mögen die Wünsche zum Jahreswechsel vor zwei Jahren noch floskelhaft gewesen sein, so dürften sie heute bei vielen Mitmenschen überlegt und aus tiefstem Herzen kommen.

Wie steht es mit dem gemeinsamen Feiern?
... wie steht es mit Gottesdienst und Christmette? Wie mit der christlichen Weihnachtsbotschaft? „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“, heißt es im Lukas-Evangelium. Wie kann man eine solche Botschaft ernst nehmen, wenn man an Mali, an Afghanistan, an die Ostukraine, an Saudi-Arabien und den Iran, an Myanmar, an China oder Taiwan denkt? „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“, so steht es im Johannes-Evangelium.
Sehen wir, wenn wir an diese Krisenherde denken, wirklich die Herrlichkeit des Sohnes "voll Gnade und Wahrheit"? Und wie ist dann die derzeitige Geisel der Menschheit, unter der wir nunmehr seit fast zwei Jahren leiden, einzuordnen? Wie soll man da von einem Fest des Friedens sprechen können, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben?
Vielleicht müssen wir uns eher auf den Satz im Johannes-Evangelium konzentrieren, der besagt, dass „das Licht in der Finsternis leuchtet“. Ich glaube, dass dieser Satz treffend unsere Situation deutet, da wir – wie es bei Jesaja heißt – im Land der Finsternis leben. Und in diese Finsternis ist uns das Licht zugesagt.

Ich denke ein Jahr zurück ...
Kurz nach Weihnachten konnten die ersten Menschen geimpft werden. Für mich war damit eine große Hoffnung verbunden: Nun wird es bald vorbei sein mit dieser schrecklichen Pandemie. Nun bekommen wir unser Leben, unsere Freiheit zurück. Welch ein Irrtum! Schutz ja, aber das Ende der Pandemie wurde damit nicht eingeleitet, auch deswegen nicht, weil es so viele Menschen gibt, die dem Impfschutz nicht trauen oder die bisher noch keine Zeit fanden, sich impfen zu lassen oder die generell nicht an diese Krankheit glauben und rücksichtslos ihre Freiheit einfordern, Menschen, deren Freiheit nicht an der Freiheit der Mitmenschen endet. Zuerst ich! Was kümmern mich die anderen! Eine solche Haltung entspricht der Finsternis, von der die christliche Botschaft spricht. Das Weihnachtsgeschehen nimmt nach der Bibel seinen Ausgang in Bethlehem. Beth-lehem heißt übersetzt: „Haus der Brotes.“
Erich Fried hat dazu ein Gedicht geschrieben: 

Der Stern über dem Haus
aber das Dach ist zerfallen
zerfressen
von den Strahlen des Sternes
oder zerbrochen
als man den Stern hinaufschoss
oder spröde geworden
von der Kälte der Nacht
und zersprungen
mit dem Knacken von Knochen.


Das alte Jahr abhaken?
Mir fiel, als ich darüber nachdachte, ein Gedicht von Mascha Kaléko (1907-1975) ein, das den Titel "Nekrolog auf ein Jahr" trägt:

Nun starb das Jahr. Auch dieses ging daneben.
Längst trat es seinen Lebensabend an.
Es lohnt sich kaum, der Trauer hinzugeben,
Weil man sich ja ein neues leisten kann.

Man sah so manches Jahr vorüberfliegen,
Und der Kalender wurde langsam alt.
Das Glück gleicht eleganten Luxuszügen
Und wir der Kleinbahn ohne Aufenthalt

Im Wintersportgebiet hat's Schnee gegeben.
Wer Hunger hat, schwärmt selten für Natur.
Silvester kam. Und manches Innenleben
Bedarf jetzt fristgemäß der Inventur.

Wir gossen Blei und trieben Neujahrspossen.
(Minister formen meist den Vogel Strauß)
Was wir im letzten Jahr in Blei gegossen,
Das sah verdammt nach Pleitegeier aus.

Das Geld regiert. Wer hat es nicht erfahren,
Dass Menschenliebe wenig Zinsen trägt.
Ein braver Mann kann höchstens Worte sparen.
Wenn er die Silben hübsch beiseitelegt.

Die Freundschaft welkt im Rechnen mit Prozenten.
Bald siehst du ein, dass keiner helfen kann.
Du stehst allein. Und die dir helfen könnten,
Die sagen höchstens: „...rufen Sie mal an!“

Nun starb ein Jahr. - Man lästre nicht am Grabe!
Doch: Wenn das Leben einer Schule gleicht,
Dann war dies Jahr ein schwachbegabter Knabe
Und hat das Ziel der Klasse nicht erreicht.


War das Jahr wirklich nur schlecht? Kann man es einfach so abhaken und sich aufs neue Jahr konzentrieren? Ich glaube nicht. Leben ist auch Erfahrung. Erfahrung verlangt Reflexion. Ohne Reflexion keine Verhaltensänderung.

Was mir Hoffnung macht,
das sind die Menschen, die unermüdlich Dienst an der Gemeinschaft, an Kranken und Gebrechlichen tun, die für unsere Sicherheit sorgen oder uns mit dem Lebensnotwendigen versorgen. Solange es solche Menschen gibt, ist das Haus noch nicht ganz verrottet, ist das Licht in der Finsternis stärker als die Dunkelheit.
Ich wünsche allen meinen Leserinnen und Lesern und den Abonnenten meines Blogs ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gesundes, infektionsfreies Jahr 2022.

Erich Fried: Aufforderung zur Unruhe. Ausgewählte Gedichte. © dtv Verlag, München 1972
Mascha Kaléko: Das lyrische Stenogramm. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Hamburg 1990, © Gisela Zoch-Westphal.
Abbildung: © pexels/S.Migaj

Josch 24.12.2021, 10.55

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von karin

mit den besten wünschen für gesundheit und glück und lebensfreude, vielen dank für anstoßen zum denken

vom 24.12.2021, 13.42
Antwort von Josch:

Danke, auch dir ein gutes und gesundes Jahr 2022
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