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Blue Skies

Countdown zur Apokalypse

Der Roman beginnt damit, dass Cat – eigentlich Catherine –, sich aus purer Langeweile und weil sie gern eine erfolgreiche Influencerin wäre, eine Tigerpython kauft, die sie Willi nennt. Cat stellt sich vor, wie sie sich die Schlange wie eine Perlenkette um den Hals legt und sich an einen Tisch auf dem Bürgersteig setzt, damit die Leute sie sehen. Sie würde Bilder posten und jede Menge Likes bekommen. T. C. Boyles Roman beschreibt in 26 Kapiteln den Countdown zur Umweltapokalypse am Beispiel von Cat, ihrer Mutter Ottilie und ihrem Bruder Cooper, einem streitbaren Biologen. Der Tod des Planeten ist Coopers Thema. Während sich Ottilie darüber wundert, was in dieser Welt, in der sie lebt und die sie umgibt, falsch läuft und warum es nicht mehr regnet, wundert sich ihr Sohn höchstens darüber, warum seine Mutter nicht sieht, dass der Planet stirbt. Er sieht sich angesichts der Umweltkatastrophen und des Insektensterbens nur bestätigt. Als er sich mit seiner Partnerin Mari, einer promovierten Biologin, deren Spezialgebiet Zecken sind, auf die Suche nach eben dieser Spezies begibt, wird er von einer Zecke gebissen. Unglücklicherweise führt der Biss zu einer furchtbaren Infektion, die dazu führt, dass ihm der halbe rechte Arm bis zum Ellbogen amputiert werden muss.



Unbekümmert dem Untergang entgegen

Cat dagegen hat weniger solche Sorgen. Sie ist mit Todd, einem Bacardi-Event-Manager verlobt, der ständig quer durch die Staaten reist, Bacardi-Partys schmeißt und Cat allein lässt. Und Cat ist es einfach langweilig. Cat und Todd wohnen in einem Strandhaus in Florida, das auf der einen Seite den Blick aufs Meer und auf der anderen Seite zur Bucht hin erlaubt. Ein Traumhaus eben, wenn es nicht ständig regnen würde und die Straße zum Haus unter Wasser stünde, sodass man durch Wasser waten muss, um an das auf Pfählen stehende Haus und die Treppe gelangt.

In Kalifornien, wo Cats Eltern und ihr Bruder leben, herrscht dagegen eine Dürre biblischen Ausmaßes. Dann tritt auf dem ganzen Kontinent auch noch ein großes Insektensterben ein, von dem sich nur die blutsaugenden Arten erholen, während nützliche Insekten, wie zum Beispiel die Honigbiene, durch bionische Drohnen ersetzt werden müssen.

 

Der Versuch, alles richtig zu machen, ist zu wenig

Ottilie macht alles, was ihr Cooper rät. Sie hat den Garten insektenfreundlich gestaltet, züchtet Grillen für den Verzehr. Doch die Grillenzucht misslingt, die Mehlwurmzucht ebenso, aber immerhin gibt es inzwischen Laborfleisch zu kaufen, das fast so schmeckt wie Hühnchen. Um Wasser zu sparen, duscht Ottilie nur noch selten. Sie schwimmt dagegen täglich im Pool, in den sie haufenweise Chlor schütten muss, damit das Wasser keimfrei bleibt.

Die Hochzeitsfeier Cats bei ihren Eltern in Kalifornien muss wegen eines unvorhergesehenen Sturms abgebrochen werden. Ärgerlich nur, dass die von Todds bestellten und bezahlten Delikatessen und Köstlichkeiten dadurch nicht goutiert werden können. Bei der anschließenden Hochzeitsreise wird Cat schwanger, was nicht geplant war und womit Todd erhebliche Probleme hat, zumal es auch noch Zwillinge werden.

Ohne Frage setzt sich Ottilie ins Flugzeug, um Cat in Florida bei der Geburt beizustehen, da Todd wieder einmal nicht da ist und das Haus abzusaufen droht. Ottilie muss auch noch bei strömendem Regen einen Leihwagen nehmen, um ans Ziel zu kommen, da das Flugzeug wegen des Unwetters nicht mehr in Florida landen kann und nach Atlanta umgeleitet wird. Bei der Fahrt nach Florida nimmt sie ausgerechnet Stoneman, den Bruder RJ.s, mit, von dem Cat die Schlange gekauft hat.

 

Ein entsetzliches Geschehen zerstört die Idylle

Cat hat sich darauf eingerichtet, ein sorgloses Leben als gut gekleidete Ehefrau eines gutverdienenden Mannes zu führen. Dass eine Würgeschlange ein eher unpassendes Haustier für einen Säuglingshaushalt ist, scheint ihr keinen Augenblick in den Sinn zu kommen.

Aber meist vernebelt ihr ohnehin der Alkohol das klare Denken. Den Hang zu regelmäßigem Alkoholkonsum teilt sie mit allen Romanfiguren, einschließlich ihrer Mutter. Das Leben in der schleichenden Apokalypse scheint sich nur berauscht ertragen zu lassen. Und so kommt es zu einer weiteren Katastrophe: Die Würgeschlange – übrigens die zweite und weitaus größer als die Erste, die unauffindbar verschwunden war – tötet eines Nachts eines von Cats Mädchen.

In Kalifornien brennen die Wälder, Florida geht im Dauerregen unter. Zwei Extreme, die die ganze tragische Auswirkung des Klimawandels repräsentieren.

Die Frage nach dem Verhältnis zur Umwelt geht wie ein Riss durch die Familie. Blue Skies beschreibt auf bitterböse Weise den ökologischen Realismus. Der Roman ist unheimlich, witzig und prophetisch. Die Hitze ist real, die Gletscher schmelzen, die Dürre ist endlos, der Meeresspiegel steigt.

 

Fazit

Ich habe ein wenig gebraucht, bis ich in den Text hineinfand. Doch nach anfänglichem Widerstand konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ein »typischer« T. C. Boyle-Roman eben. Nicht umsonst zählt er zu den erfolgreichsten amerikanischen Autoren in Deutschland. Und nicht unerwähnt darf der Übersetzer bleiben. Dirk van Gunsteren hat wieder einmal eine poetische und grandiose Übersetzung abgeliefert. Unbedingt lesenswert!

 

T. C. Boyle: Blue Skies. Roman. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Hanser Verlag. München 2023. 399 Seiten. ISBN 978-3-446-27689-5. LP 28,00 €

Die Rezension zitiert auch Beiträge aus Spiegel, Internet und FAZ.

Josch 29.04.2024, 12.25

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