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„Papa, warum streiten Menschen miteinander?“

Gespräch mit meinem damals knapp sechsjährigen Sohn

Ich sitze unter der Pergula im Garten und genieße das warme Wetter, da höre ich meinen Sohn schon von weitem laut weinend den verkehrsfreien Weg vom Spielplatz zu unserem Garten herüberlaufen. Er kommt in den Garten gestürmt und fragt mehr wütend als traurig, ob wir einen Stock haben. Ich weiß im ersten Moment gar nicht, was er meint. Da sagt er noch einmal ganz laut, dass er einen Stock braucht und ob wir denn keinen hätten. Ich frage ihn, wozu er denn einen Stock brauche.



„Damit ich den Korbinian schlagen kann!“, stößt er hervor.

„Und warum willst Du den Korbinian schlagen?“, will ich erschrocken wissen.

„Weil er mich immer ärgert. Er hat meine Straße kaputtgemacht, die ich gebaut habe.“


Mein Sohn spricht vom Spielplatz, auf dem er im Sandkasten mit dem Bagger gespielt hat. Ich versuche ihn zu beruhigen: „Aber Du kannst doch den Korbinian nicht mit einem Stock schlagen. Hast Du ihm denn nicht gesagt, dass er aufhören soll?“

„Doch, aber er hat immer weiter gemacht. Und dann habe ich ihn weggeschubst, da hat er mir den Bagger weggenommen.“

Ich weiß, dass Korbinian gern und gut provozieren kann, was meinen Sohn schon mehrmals zur Weißglut gebracht hat. Da ich der Auffassung bin, dass Kinder bei Konflikten nur in schwierigen Fällen von ihren Eltern unterstützt werden sollten, frage ich ihn, ob er sich nicht bei Korbinians Mutter beschweren möchte.

„Und was soll ich ihr sagen?“, will er etwas bockig und mit deutlich skeptischer Miene wissen.

„Na, dass Dich Korbinian immer so ärgert und dass er damit aufhören soll.“

Mein Sohn schaut mich finster an, dann nickt er und läuft ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus dem Garten hinaus, den Weg hinüber zum Spielplatz und weiter zum Haus, in dem die Korbinian-Familie wohnt. Danach höre ich den ganzen Nachmittag nichts mehr von meinem Sohn.

Als ich ihn am Abend ins Bett bringe und ihm wie nahezu jeden Tag etwas vorlese, an diesem Abend einen Abschnitt aus „Räuber Grapsch“, frage ich ihn, was er zu Korbinians Mutter gesagt habe.

„Ich habe gesagt, dass der Korbinian immer alles kaputt macht, was ich baue, und dass er damit aufhören soll.“

„Und was hat seine Mutter darauf gesagt?“, will ich wissen.

„Sie ist mit zum Spielplatz gegangen und hat den Korbinian geschimpft und gesagt, dass er mich nicht mehr ärgern soll. Und dann haben wir die Straße miteinander gebaut.“

Ich sage meinem Sohn, dass ich das großartig finde und dass ich sehr stolz auf ihn bin. Dann stehe ich auf und will ihm eine gute Nacht wünschen, da fragt er mich, warum Menschen eigentlich miteinander streiten. Ich bin wie immer nicht vorbereitet auf eine so schwierige Frage, stottere zuerst ein wenig herum und sage dann, dass Menschen häufig streiten, wenn der andere etwas tut, was man selbst nicht möchte.

„Du hast gestern mit der Mama auch gestritten“, unterbricht er mich. Mir ist es peinlich, dass er mich darauf anspricht, und ich überlege, was der Grund unseres Streits war. Da fällt mir ein, dass ich mich übergangen fühlte, weil meine Frau unseren Sohn zu einem Kinder-Trommelkurs angemeldet hatte, ohne mit mir darüber zu sprechen. Daraufhin hatte ich mich beleidigt zurückgezogen. Weil sich meine Frau aber nicht damit abfand und mir vorwarf, dass ich ständig beleidigt sei, kam es zum Streit. Dies versuche ich nun meinem Sohn zu erklären und muss dabei feststellen, wie lächerlich ich mich verhalten habe, denn mein Sohn fragt nur: „Wolltest Du nicht, dass mich die Mama zum Trommeln anmeldet?“

„Doch, schon. Aber sie hätte doch mit mir darüber reden können.“

„Aber wenn Du mich auch zum Trommeln angemeldet hättest, dann hättest Du doch gar nicht mit ihr streiten müssen.“

Ich gebe mich geschlagen. Er hat einfach recht. Ich versuche meinem Sohn klar zu machen, dass es bei vielen Streits der Erwachsenen um etwas ganz anderes geht, als das, weswegen sie zu streiten beginnen. Oft ist der eine eifersüchtig oder neidisch oder fühlt sich zurückgesetzt, übergangen, nicht ernst genommen, oder man hat das Gefühl, der andere ist nicht ehrlich oder sagt etwas, was einem nicht gefällt. Erwachsene streiten oft, weil sie sich vom anderen etwas wünschen, ohne es ihm zu sagen. Der andere aber macht das nicht. Er erfüllt den Wunsch nicht, weil er gar nicht weiß, was der andere sich wünscht. Man nennt das Erwartungen haben.

„Wichtig ist“, so schließe ich meinen etwas schwierigen Vortrag, „dass man sich nach einem Streit wieder versöhnt, dass man einander verzeiht und wieder gut miteinander auskommt, so wie Du und Korbinian das heute gemacht habt.“

Mein Sohn hat aufmerksam zugehört, aber irgendetwas arbeitet in ihm weiter: „Ich finde streiten nicht gut. Besser wäre es, wenn sich die Menschen immer gut vertragen würden.“

„Aber im Streit wird auch klar, was dem anderen wichtig ist. Durch Deinen Streit mit Korbinian konntest Du ihm sagen, dass er Dich in Ruhe lassen soll, damit Du Deine Straße bauen kannst. Deine Straße war Dir wichtig.“

Irgendwie ist er ganz zufrieden, wie der Streit mit Korbinian verlaufen ist: „Es war gut, dass wir dann nicht mehr gestritten und die Straße miteinander gebaut haben.“

Eigentlich will ich ihm noch vieles dazu sagen, zum Beispiel, dass man nur mit Menschen streitet, die einem wichtig sind, die einem etwas bedeuten. Aber wie ich sehe, ist er bereits eingeschlafen. Streit ist nicht nur ein schwieriges Thema, er macht auch müde ...

Josch 14.10.2016, 16.30

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Fenja

Hallo lieber Josch, ich bin zufällig auf deinen Blog gestoßen und besonders die Gespräche mit deinem Sohn haben mich sehr berührt. Stellvertretend für die ganzen Artikel, die ich in den letzten Tage gelesen habe, schreibe ich jetzt unter diesen, weil er mich sehr berührt hat. Dass sich immer alle gut verstehen, wie dein Sohn es sich gewünscht hat, kann sich wahrscheinlich niemand vorstellen. Aber vielleicht hilft es ja, wenn man sich immer vor Augen führt, dass man nur mit Menschen streitet, die einem wichtig sind... Ich mag deine Art, lebendig und trotzdem ernsthaft zu schreiben. Danke dafür!

vom 24.08.2017, 15.55
Antwort von Josch:

Vielen Dank für deinen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. Leider kann ich diese Rubrik nicht fortführen, da mein Sohn das nicht wünscht. Es seien ja Gespräche, die nur uns beide betreffen und nur uns gehören, so argumentierte er. Und das stimmt natürlich. Es tut mir sehr leid, dass ich damit über seine Grenzen hinweggehoppelt bin.
1. von Eva

Streit ist wirklich ein schwieriges Thema. Aber so schön aufgeschrieben und einfach zum nachdenken. ;) Ich wünsch dir noch ein schönes Wochenende! Eva

vom 16.10.2016, 06.43
Antwort von Josch:

Vielen Dank für den schönen Kommentar. Die Wünsche darf ich erwidern. Da es noch mehr Gespräche zum Thema Streit gab, wird es wohl nicht der letzte Blogbeitrag dazu gewesen sein. LG  j.
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