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Assamblé in die Freiheit

Nurejew – The White Crow

Der Film von Ralph Fiennes spielt in der Zeit des Eisernen Vorhangs. Im Russland der Überwachung, in dem umfassende Bespitzelung, massive Beschränkung der Freiheit, Bestrafung und Folter zum Alltag gehörten, als sei die tägliche Unterdrückung ein Naturgesetz, macht ein außergewöhnlich begabter, ehrgeiziger Tänzer seinen Weg: Rudolf Chametowitsch Nurejew. Geboren in einem transsibirischen Zug, mitten unter dicht nebeneinander sitzenden und stehenden Mitreisenden, unter Hühnern und anderen Kleintieren. In Rückblenden zeigt der Film, wie der kleine Rudnik, so nennen ihn seine Mutter und die älteren Schwestern, in seiner Heimatstadt mit dem Tanzen beginnt, wie er – älter als alle anderen Ballettschüler – mit 17 Jahren am renommierten Choreographischen Institut in Leningrad seine Ballettausbildung beginnt und sich ziemlich rasch zum bedeutendsten Balletttänzer des letzten Jahrhunderts entwickelt.



Nurejew, der eigenwillige Superstar

Ähnlich wie in dem Film Yuli über den schwarzen kubanischen Tänzer Carlos Acosta, der auch mehr ist als eine Biografie, geht es in The White Crow nicht um das gesamte künstlerische Leben des Ausnahmekünstlers Nurejew. Vielmehr steht seine Befreiung im Mittelpunkt des Films, als Nurejew, der sich mit der weltberühmten Leningrader Kirov Ballett Compagnie auf Auslandstournee in Paris befindet, am Flughafen Le Bourget, von KGB-Agenten umgeben und bedrängt, bei den französische Polizeibehörden um Asyl bittet.

Nurejew ist technisch nicht der beste Tänzer, wie er selbst bekennt, aber in seiner Ausdruckskraft, in seiner Intensität und emotionalen Naturgewalt unübertroffen, treffend charakterisiert in der Antwort, die er bei einem Bankett einem Besucher auf die Frage, ob er auch in dem Stück getanzt habe, gibt: „Hätte ich getanzt, würden Sie sich erinnern.“

Der eigenwillige und bisweilen schroffe, ja arrogant wirkende Tänzer findet in Alexander Iwanowitsch Puschkin, gespielt vom Regisseur, einen väterlichen, liebevollen, aber durchaus konsequenten Lehrer. Ihm hat er eigentlich alles zu verdanken. Als Nurejew eine Knöchelverletzung erleidet, die ihn weit über ein Jahr außer Gefecht setzt, nimmt ihn Puschkin und seine Frau, mit der Nurejew kurzzeitig ein Verhältnis beginnt, in seine enge Wohnung auf, damit er besser gepflegt werden und schneller wieder mit dem Tanzen beginnen kann.


Die Botschaft

Doch die zentrale Botschaft des Films ist nicht die Ausbildung oder der Werdegang des Ausnahmekünstlers, sondern sein unbedingter Wille, seine Kunst uneingeschränkt und in größtmöglicher Freiheit zeigen zu können, was ihm in Russland verwehrt gewesen wäre. Deswegen kann auch Puschkin dem Beamten, der ihn wegen der Flucht seines Schülers verhört, sagen, dass Nurejews Flucht nicht politisch motiviert gewesen sei, sondern dass er ausschließlich ans Tanzen gedacht habe und dass er Angst hatte, in seiner russischen Heimat willkürlich eingeschränkt zu werden.


Wie ich den Film fand

Ich selbst bin kein besonderer Kenner der Ballettkunst. Ich kann auch nicht annähernd beurteilen, ob ein Tanz technisch sauber und künstlerisch perfekt ist. Darum geht es in diesem Film auch gar nicht, wiewohl Fiennes die Rolle Nurejews mit dem echten Balletttänzer Oleg Ivenko besetzt hat, der seit 2014 Solotänzer der M. Jalil Tatar State Academic Opera in Kasan ist, um größtmögliche Authentizität in den Tanzszenen zu erreichen. Was ich aber beurteilen kann, das ist die emotionale Präsenz und Ausdruckskraft beim Tanz. Und die dürfte Nurejew wie kein zweiter Tänzer im letzten Jahrhundert verkörpert haben. Sie kommt in dem Film sehr gut rüber. Die künstlerische Leistung des leider sehr früh an AIDS verstorbenen Künstlers ist unbestritten, ja weltweit einzigartig, hat er doch Generationen von Künstlern beeinflusst.

Fiennes, selbst ein bedeutender Schauspieler (u.a. Lord Voldemort in Harry Potter und der Orden des Phönix) und seit 2011 auch Regisseur (Coriolanus sowie 2013 The Invisible Woman) konnte für das Drehbuch des Films David Hare (der auch das Drehbuch zu „Der Vorleser“ geschrieben hat) gewinnen. Hare hat für sein Drehbuch die umfassende Biografie zu Nurejew von Julie Kavanagh, selbst eine ausgebildete Balletttänzerin, zugrunde gelegt.

Das Asylgesuch des weltberühmten Künstlers war damals eine Sensation. Ich habe sie als Kind mitbekommen, weil die ganze Welt davon sprach. Allerdings konnte ich damals noch nichts Bedeutsames damit verbinden, zumal mir Ballett nichts gesagt hat.

Der Film macht es dem Zuschauer nicht immer leicht. Er ist keine seichte, leicht verdauliche Kost. Und er wird, je länger er dauert, immer mehr zu einem Krimi, weil man, obwohl man weiß, wie die Geschichte ausgeht, mitfiebert, ob Nurejew schlussendlich den Klauen des KGB entkommt und die Flucht in die Freiheit schafft. Und nebenbei sind die relativ wenigen Tanzszenen äußerst berührend. Mich jedenfalls haben sie sehr mitgenommen und in mir den Wunsch ausgelöst, öfter mal ins Ballett zu gehen. Ich kann den Film daher nur empfehlen. Er ging mir noch längere Zeit nach.

Josch 24.11.2019, 16.12

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