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Bedeutsame Begegnungen

Was Worte bewirken

Neulich traf ich einen Bekannten, den ich schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich hätte ihn beinahe nicht wiedererkannt. Er ist eben älter geworden (wie überheblich: als wäre ich nicht älter geworden). Der Grund, warum ich ihn nicht sofort erkannte, war offenbar eine schwere Krankheit, die ihn wesentlich schneller altern ließ. Wir kamen ins Gespräch, und er erinnerte mich mit einem traurigen Lächeln an einen Vorfall, den ich völlig vergessen hatte. Er arbeitete vor vielen Jahren einmal in meiner Abteilung. Ich war sozusagen sein Vorgesetzter und hatte ihn auch eingestellt. Beim Vorstellungsgespräch habe ich ihn offenbar gefragt, wie er denn reagieren würde, wenn er sich ungerecht behandelt fühle. Es komme in einem Team oft vor, so hatte ich erläutert, dass sich jemand zurückgesetzt oder ungerecht behandelt fühlt. Ob eingebildet oder real mache da keinen Unterschied. Solche Situationen brächten ein Team oftmals an seine Grenzen bis hin zum Auseinanderbrechen.



Erinnerung an ein Vorstellungsgespräch

Er erinnerte mich daran, dass er mit einem Spruch seines längst verstorbenen Vaters geantwortet habe: „Er setze sich ans Ufer des Flusses und warte, bis die Leiche seines Feindes vorbeischwimme.“ Er hatte damals den Eindruck, dass ich mich über seine Antwort ziemlich geärgert habe, da ich nur noch unverständliches gruppendynamisches Zeug dahergeredet habe.

Als er von dieser Episode sprach, war ich wieder vollkommen im Bilde. Und in mein Erinnern hinein fragte er mich, warum ich ihn damals eigentlich eingestellt habe, obwohl ich mich doch offensichtlich über seine Antwort geärgert hatte. Ich sagte, weil er an bestimmten Stellen des Vorstellungsgesprächs gelacht hatte, ohne Kommentar, einfach so. Darüber war nun er wiederum sehr überrascht. Hatte er doch gedacht, er habe deswegen die Stelle bekommen, weil er die besten Voraussetzungen dafür mitgebracht habe und also am besten dafür qualifiziert gewesen sei. Ich musste ihm diese Illusion nehmen: Es gab eine ganze Reihe Bewerberinnen und Bewerber, die ähnliche Qualifikationen mitgebracht hatten. Aber sein Lachen an bestimmten Stellen des Gesprächs hatten mir gezeigt, dass sein Humor sehr gut ins Team passen würde. Offensichtlich dachte er ähnlich wie wir. Wir haben dann noch ein wenig über die damalige Arbeit gesprochen, haben uns gefreut, dass wir uns wieder einmal getroffen haben und gingen auseinander.


Späte oder zu späte Einsichten?

Die Begegnung ließ mich nicht mehr los. Zu Hause habe ich lang überlegt, ob ich bei den Vorstellungsgesprächen – und es waren phasenweise aus meiner Sicht sehr viele – den Bewerbern eigentlich gerecht geworden bin, hatte ich vielleicht vorwiegend den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens im Blick? War mein ehemaliger Mitarbeiter enttäuscht, als ich ihm sagte, dass sein Lachen den Ausschlag für die Anstellung gegeben hatte, nicht seine Qualifikation? Als ob das Lachen an der richtigen Stelle einer fachlichen Qualifikation nicht gleich kommt! Wieso wollte er das erst heute, nach so vielen Jahren, wissen? Was treibt ihn um?

In vielerlei Hinsicht bleibt in der Arbeit vielfach die menschliche, humane Seite auf der Strecke. Der Mensch wird nur danach beurteilt, ob er funktioniert, was er fürs Unternehmen bringt. Alles andere interessiert weniger. Dabei kommt es aber gerade darauf an. Als Vorgesetzter darf es mir doch nicht egal sein, wie viele Fehlzeiten beispielsweise ein Mitarbeiter hat. Sind sie nicht häufig Zeichen für Fehlbesetzungen, für Überlastungen, für ungerechtes, unmenschliches Verhalten der Kollegen und Vorgesetzten?


Wie Worte wirken

Wie geht man mit solch späten Einsichten um, wenn man keine Chance mehr hat, es besser zu machen, etwas zu ändern, weil man eben nicht mehr in der Verantwortung steht? Weil man sich selbst längst davon befreit hat?

Und noch etwas wurde mir schmerzlich bewusst: Welches Gewicht Worte haben! Wie sehr sie bleiben und in uns nachwirken, selbst die Zeit kann sie nicht wegmachen. Wie schön wäre es doch, wenn man sie einfach abschütteln könnte. Ich nehme mir vor, wieder mehr darauf zu achten, was ich sage, zu wem und in welcher Situation ich etwas sage. Nicht einfach nur plappern. Überlegen, und dann sprechen. Nach Möglichkeit, ohne den anderen zu verletzen und dennoch wahrhaftig zu bleiben. Welch schwierige Aufgabe … ! 

Josch 18.04.2019, 23.18

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Gudrun Kropp

Ich finde es aber auch ganz wichtig, sich diese, zur damaligen Zeit gesagten Worte, selbst zu verzeihen, weil man es vielleicht nicht besser wusste oder sich nichts weiter dabei gedacht hat ... daraus für die Zukunft zu lernen, ist das andere ...

vom 19.04.2019, 11.51
Antwort von Josch:

Vielen Dank für deinen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. Das Sich-selbst-Verzeihen ist m.E. eine wichtige Voraussetzung dafür, mit sich ins Reine zu kommen. Danke für diesen Aspekt.
1. von karin

ja im prinzip bin ich auch der meinung, dass die heutige schnelle zeit auch die schnellen worte mit sich führt und man (ich) sich (mich) wieder etwas nachdenklicher geben könnte, weniger reden und erst denken,
aber, es gibt ja viele situationen (in meinem alter und als frau), da weiß ich schon, mein gegenüber hat eine negative meinung über mich und alles was ich sage, wird ins negative gezogen, oder aber auch mein gegenüber ist an sich negativ eingestellt und was immer ich sage, es wird negativ aufgenommen und verdreht,
also denke ich, wenn ich an mir arbeite und viel positiver lebe und denke, dann kann ich auch spontan und entspannt reden, ich hoffe so, und die verantwortung über den sinn und inhalt meiner worte abgeben an den, der sie gehört hat,
das einzige noch,, vielleicht öfters nachfragen, ob man richtig verstanden wurde,

vom 19.04.2019, 07.35
Antwort von Josch:

Vielen Dank für deinen Kommentar, der meinen Beitrag sehr gut ergänzt und ganz im Sinne des Blogthemas zum kritischen Nachdenken anregt.
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