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Déjà-vu in Estaing. Fortsetzungsroman 2

Kapitel 2

Ich blättere in dem Frauenmagazin und bleibe prompt an einem Beitrag hängen, der vom Kampf einer Frau um ihr Recht handelt. Es ist der Name, der mich elektrisiert: Magdalena Salomon! Sofort stehen die Ereignisse von damals vor meinem inneren Auge. Als wäre es gestern gewesen. Wie lang ist das jetzt her? Es muss Mitte der Achtziger gewesen sein. Es gibt sie also doch, diese Frau, um die sich sein ganzes Denken drehte und von der er ständig redete. Und vor allem: Sie lebt noch!

Ich muss einen Schluck trinken. Wieso bin ich eigentlich damals ausgerechnet nach Estaing gefahren? War es nicht Melli, die mir den Tipp gab? „Gönn dir ein paar Tage Ruhe. In Frankreich, im Massif central, da kenne ich einen wunderschönen, verträumten Ort. Dort kannst du vielleicht ein wenig Abstand gewinnen und wieder zu dir finden. Estaing wird dir gefallen. Am liebsten käme ich ja mit. Aber ich muss unbedingt was fürs Studium tun.“



Im Nachhinein war ich dann allerdings nicht unglücklich, dass sie nicht mitkommen konnte. Mit Melli und mir lief es doch immer aufs Gleiche hinaus. Und nach zwei Wochen wären wir uns wahrscheinlich ohnedies überdrüssig gewesen und hätten nichts mehr miteinander anzufangen gewusst. Eigentlich schade, dass wir inzwischen den Kontakt zueinander völlig verloren haben. Ob sie immer noch nach Estaing fährt? Ich war jedenfalls all die Jahre nicht mehr dort.

Ich lese in dem Artikel, kann mich aber nicht mehr konzentrieren. Zu sehr drängen sich die längst vergangenen Ereignisse in den Vordergrund. Was war das doch für eine schlimme Zeit! Es ging mir sehr schlecht. Die Trennung von Hannah, meiner großen Liebe, hatte mich an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ich war wirklich am Ende. Und dann kam Melli mit diesem Tipp. Schon ein paar Tage später saß ich im Auto und suchte nach diesem mysteriös-verklärten Ort im südwestlichen Teil des französischen Zentralmassivs. Von Saint-Étienne aus Richtung Le Puy, dann weiter nach Rodez.

Es kam mir seinerzeit vor, als sei Estaing ein magischer Kraftort, als könne er Veränderungen bewirken. Noch viele Jahre später war ich davon überzeugt, dass Estaing ein heiliger Ort sei. Schließlich hatten mich diese zwei Wochen dort völlig verändert: Es ging weniger um mich. Mehr um Hagen Wandel, der mich mit seiner Geschichte in eine andere Bewusstseinsebene zu transformieren schien. Und ich kam schließlich über die Trennung von Hannah hinweg. Diese unheimliche Begegnung mit Hagen Wandel hatte unglaubliche Turbulenzen in mir ausgelöst, die schließlich eine Auseinandersetzung mit meinen eigenen Problemen nicht mehr zuließen oder mir besser gar keinen Raum dazu gaben. Es war, als würde da ein Graben zugeschüttet.

 

Ich weiß nicht, wie lang ich schon so dasaß, das Magazin vor mir, den Blick starr auf die Wand gerichtet, als Franziska hereinkommt und mich aus den trübseligen Grübeleien herausholt. Ich habe gar nicht gemerkt, dass sie wortlos einen Espresso vor mich hingestellt hat. Erst als sie sich mir gegenüber an den Besprechungstisch setzt und mich mit großen Augen ansieht, komme ich zu mir.

„Dir geht es nicht besonders, Dan, oder? Kann ich dir was Gutes tun?“, will sie mit leiser Stimme wissen. Sie ist wirklich rührend. Ob sie mir ansieht, welche Gefühle sie in mir auslöst?

„Du bist lieb, Franziska. Ja, im Moment weiß ich wirklich nicht, wo mir der Kopf steht. Die Werbekampagne für Pit, für die uns einfach die zündende Idee fehlt, die Belastung in der Familie, die Probleme mit Katharina … es ist einfach uferlos.“ Franziska kommt zu mir herüber, setzt sich neben mich, legt mir ihren Arm um und streichelt sanft meine Hand. So viel Nähe haben wir uns schon lang nicht mehr erlaubt. Es tut gut, sie neben mir zu spüren. „Ich danke dir“, ist alles, was mir einfällt. Ich drücke sie leicht an mich, hauche ihr ein Küsschen auf die Wange und streichle dabei sanft ihren Rücken. Ehe es zu mehr kommt, weicht sie zurück und geht zur Tür, wo sie sich noch einmal umdreht und freundlich flüsternd sagt, dass sie mich nicht durcheinanderbringen wolle. Dazu schätze sie mich einfach viel zu sehr.

Es geschieht alles wie durch einen Schleier. Zu sehr zieht mich die Konfrontation mit der Vergangenheit in den Bann: Magdalena Salomon. Wo sie heute lebt, geht aus dem Bericht nicht hervor. Ich stehe auf und gehe zurück an meinen Schreibtisch.

 

Josch 07.01.2017, 00.00

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