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Die Welt von Gestern

Stefan Zweig: »Konzentration ist das ewige Geheimnis aller großen Kunst«

Wenn es ums Lesen geht, bin ich etwas kompliziert und daher auch nicht leicht zufriedenzustellen. Ich kann nicht einfach irgendeinen Roman lesen. Literatur muss mich herausfordern, muss mich mitnehmen, mich beschäftigen, muss eine Botschaft, etwas Bleibendes haben. Rein zur Unterhaltung kann ich zwar auch lesen, aber das ist dann nicht wesentlich anders als meinetwegen eine Folge Traumschiff anzusehen und dabei vor lauter Gähnen den Inhalt gar nicht mehr mitzubekommen. Was nun auch nicht schlimm wäre.

Mein Anspruch an Literatur hängt mit meinem Beruf als Lektor und Redakteur zusammen, der durch mein Studium der Neueren Deutschen Literatur grundgelegt wurde. Leider schon vor sehr langer Zeit. Wenn das berufliche und private Leben buchstäblich von Büchern "rings umstellt" (Goethe) ist, dann determiniert dies logischerweise auch die Perspektive, den sogenannten Point-of-View auf Literatur. Und weil ich gern anderen Menschen vorlese, bin ich im Mai 2024 mit meinem Podcast "LeseLust" an den Start gegangen, in dem ich Autorinnen und Autoren und jeweils ein oder zwei ihrer Bücher vorstelle und auch daraus vorlese – um Lust aufs Lesen zu machen.



Podcast-Statistik

Mittlerweile gibt es vierzehn Episoden LeseLust, jede zwischen circa 33 und 40 Minuten lang. Da ich seit einigen Jahren vor allem amerikanische Literatur lese, spiegelt sich das auch auf meinem Podcast wider. Von den bis heute vierzehn erschienenen Episoden beschäftigen sich zwölf mit amerikanischen Autorinnen und Autoren. Ausnahmen bilden nur die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie und der große deutsche Autor Stefan Heym. Und wenn ich mir die Hörerstatistik ansehe, muss ich bedauerlicherweise feststellen, dass beide im unteren Bereich des Interesses der Hörer liegen.

 

Die Welt von Gestern

Als ich mir vor Kurzem auf Empfehlung meines Freundes Stefan den Podcast "Die Peter Thiel-Story" von Jasmin Körber, Fritz Espenlaub, Klaus Uhrig und Christian Schiffer vom Deutschlandfunk anhörte und der Sprecher unter anderem erwähnte, dass er gerade "Die Welt von Gestern" von Stefan Zweig gelesen habe, traf mich dies wie ein Dampfhammer. Ich habe vor langer Zeit drei Jahre an einer Dissertation über Stefan Zweig gearbeitet, die ich leider nicht zu Ende gebracht habe. Zweig und sein literarisches Schaffen nehmen jedoch immer noch breiten Raum in meinem Herzen bzw. Hirn ein. Als ich einer Freundin vom Wiedererwachen meiner Leidenschaft für Zweig erzählte, fragte sie mich, warum ich Zweig nicht in meinem Podcast behandle. Ich wusste es nicht. Vielleicht, weil Stefan Zweig ohnedies sehr bekannt ist? Weil man nahezu alles über ihn im Internet oder in Büchern über ihn (siehe Oliver Matuschek oder Knut Beck) lesen kann? Weil er zu seiner Zeit einer der meistgelesenen deutschen Autoren war? Wen interessiert noch, was Zweig vor hundert und mehr Jahren geschrieben hat?

 

Warum soll Zweig immer noch aktuell sein?

Und doch gibt es offenbar auch heute noch Menschen, die sich zum Beispiel mit "Die Welt von Gestern" beschäftigen, wie das oben erwähnte Beispiel belegt. Ungewöhnlich ist dies nicht. Man braucht das Buch nur einmal aufzuschlagen und darin zu lesen anfangen. Da heißt es zum Beispiel: "Die größten Parteien, die sozialdemokratische und die christlichsoziale verbanden sich in dieser schwersten Stunde trotz ihrem tiefinnerlichen Gegensatz zu gemeinsamer Regierung." Das könnte er auch über die gegenwärtige große Koalition geschrieben haben. Wohl gemerkt: Zweig schrieb "Die Welt von Gestern" Anfang der 1940er-Jahre! Oder wenn er schreibt: "Denn nichts ist gefährlicher als die Großmannssucht der Kleinen", da fiel mir spontan Viktor Orbán ein. Und an anderer Stelle schreibt Zweig "...seit Hitler die Lüge zur Selbstverständlichkeit und die Antihumanität zum Gesetz erhoben ...[hat]", das lässt sich auch über Donald Trump sagen.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Und das ist für mich bleibende Literatur, wenngleich es sich bei "Die Welt von Gestern" nicht um Fiktion handelt. Es ist letztendlich Zweigs autobiografisches Werk. Ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der an Geschichte interessiert ist und dem das, was gegenwärtig in der Welt passiert, nicht gleichgültig ist.

Zweig lässt sich allerdings nicht auf "Die Welt von Gestern" und seine meistgelesene "Schachnovelle" reduzieren. Allein seine biografischen Werke über Maria Stuart, Marie Antoinette, Dostojewski, Freud bis hin zu Joseph Fouché zählen zur Weltliteratur. Von seinen Novellen und seinem übrigens einzigen – vollendeten – Roman "Ungeduld des Herzens" ganz zu schweigen.

 

Wie geht es weiter

Ich werde mich daher ab Episode sechzehn auf meinem Podcast "LeseLust" in einigen Folgen – und das stellt für mich ein Novum dar – mit Stefan Zweig beschäftigen. Ob ich damit den Nerv meiner Hörerinnen und Hörer treffen werde und ob es mir gelingt, dass die eine oder der andere dann auch die eine oder andere Novelle liest, sei dahingestellt. Für mich jedenfalls ist es lohnenswert, mich mit "meinem" Autor wieder mehr zu beschäftigen. Über Kommentare und Anregungen würde ich mich sehr freuen.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. S. Fischer Verlag GmbH. Frankfurt 1983 und Anaconda Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe München.

Josch 14.07.2025, 15.41

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