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Leben im Hier und Jetzt

Sich im Labyrinth des Lebens zurechtfinden

„Sieh diesen Tag, denn er ist Leben, ja, das Leben selbst…“ heißt es bei Kalidasa, einem indischen Dichter. „In seinem kurzen Lauf, liegt alle Wahrheit, alles Wesen deines Seins.“ Das klingt einfach, logisch, ja geradezu banal. Warum sollte man sich also damit beschäftigen? Kalidasa hat diesen Gedanken bereits vor mehr als 1.500 Jahren formuliert. Aber offenbar ist das Problem bis heute aktuell. Wie sonst ist es zu erklären, dass ein Buch wie „Jetzt“ von Eckhart Tolle seit seinem Erscheinen vor acht Jahren zu den Bestsellern zählt. Allem Anschein nach braucht das Leben im Hier und Jetzt Anleitung und Ratschlag, wie es gelingen kann.



Ohne Plan geht es nicht

Ich gebe zu, dass es in meinem Leben auch immer wieder Phasen gab, in denen ich vor allem auf die Zukunft hin gelebt habe. Allerdings ging es mir in diesen Phasen – um es vorsichtig zu sagen – nicht besonders gut. Nichts hatte Bedeutung, weder das Gestern noch das Heute, weil das Leben in der Gegenwart nicht das brachte, was ich mir sehnlichst wünschte. Ich fühlte mich wie das Kaninchen vor der Schlange und wartete darauf, mich verspeisen zu lassen. Ich musste mühsam lernen, dass ich ausschließlich in diesem konkreten Moment lebe, dass das Gestern irrelevant ist und dass es sinnlos ist, auf bessere Zeiten zu warten. Ich habe aber auch kapiert, dass es ohne Plan fürs Leben nicht geht. Obwohl niemand wissen kann, was morgen sein wird. Es gibt nun mal keine Garantien. Dieser Erkenntnisprozess war anstrengend, jedoch erfüllend. Es war, als fände ich endlich den Weg aus einem Labyrinth.


… wenn ein geliebter Mensch von dir geht…

Eine ganz besonders drastische Lektion erteilt einem das Leben, wenn ein geliebter Mensch von dir geht, wenn dir durch seinen Tod vor Augen geführt wird, dass das Leben im Hier und Jetzt das kostbarste Gut ist, das es gibt. Es erinnert mich daran, dass es keine Gewissheiten gibt, außer dem eigenen Tod. Der kommt mit Sicherheit. Der Tod eines geliebten Menschen erinnert mich daran, dass ich für die Verwirklichung meiner Pläne nicht uferlos Zeit habe. Er hämmert mir gewissermaßen ein, dass ich nur diesen Moment habe. Mehr nicht. Pläne dürfen das Leben im Hier und Jetzt nicht verdrängen, überschatten. Oft habe ich in der christlichen Sozialisation den Grund für eine übertriebene Ausrichtung auf die Zukunft gesehen – einer Ausrichtung auf ein Jenseits, in dem alle Unterschiede aufgehoben sind. Es war die naive Überzeugung, dass es im Jenseits ein gerechtes und friedliches Miteinander geben werde. Heute weiß ich, dass sich ein solches Paradies – wenn überhaupt – nur im Hier verwirklichen lässt. Die Erfahrung lehrte mich auch, dass es eine lebenslange Aufgabe ist, sich immer wieder auf das Heute, auf das Jetzt zu konzentrieren, von dem Ernst Pöppel, der Hirnforscher, sagt, dass dieses Jetzt nur etwa drei Sekunden dauert, so lange, wie ein Ein- und ein Ausatmen dauert. Das sei Gegenwart. Mehr nicht. Und auch wenn ich dies weiß, heißt dies noch lang nicht, dass ich damit mein „Gegenwartsproblem“ gelöst hätte.


Qi-gong als Weg ins Hier und Jetzt

Wenn ich heute merke, dass ich abzudriften drohe, dann versuche ich gegenzusteuern. Am wirksamsten, aus dem Teufelskreis auszubrechen, ist es für mich, mit einem Menschen zu reden, der mich mag und mich versteht. Eine andere Möglichkeit ist der Versuch, ruhig zu werden und zu meditieren. Und dann gibt es für mich noch die sogenannten Brokatübungen aus dem Qi-gong. Mit ihnen komme ich sehr gut wieder in die Balance. Ich muss dabei intensiv auf meinen Atem und meine Körperbewegung achten, muss meinen Geist auf diese Lebensenergie lenken, mich auf die genaue Ausführung der Übung konzentrieren. In den allermeisten Fällen werde ich dabei ruhig. Alle Ablenkungen fallen von mir ab, und es kommt wieder ganz auf den Moment an: Wie geht es mir jetzt? Was will ich nun? Was muss ich erledigen? Ich kann konzentriert an der Verwirklichung meiner tatsächlichen Wünsche und Sehnsüchte arbeiten, kann meine Gefühle wahrnehmen und sie zulassen, ohne abzuschweifen. Ob ich meine Pläne und die großen Aufgaben aber jemals realisieren kann, das spielt in diesem Moment keine Rolle. Wenn ich mich auf diese Weise erden kann, dann empfinde ich tiefe Dankbarkeit. Ich bin dankbar dafür, dass ich lebe und Teil des Universums bin. Das ist ein großartiges Gefühl.

© Abbildung: pexels.com

Josch 12.08.2018, 11.03

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Gudrun

Ja, das Gedicht von Erich Fried trifft es genau, was es mit der Menschlichkeit in unserer, ach, so modernen, technisch fortgeschrittenen Zeit, auf sich hat. -
Deine Gedanken sind sehr tiefgründig - danke dafür - und ich habe mich darin wiedergefunden. Es ist wohl das Schwerste, sich immer wieder bewusst zu machen, dass nur das Leben im Jetzt zählt. In diesem "einige Sekunden-Augenblick" des Jetzt entscheiden wir, an unserem Ziel weiter zu arbeiten oder aber gedankenlos zu meinen, es hat ja noch Zeit. Das ist ein Trugschluss, obwohl ich mir mein persönliches Ziel (Berufung) zu erreichen, auch nicht immer als "zu wichtig erachte". Dabei ist es SEHR wichtig, unsere Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und dran zu bleiben, bis es erledigt ist. Denn dieses Projekt macht ja niemand anderes. Doch Zweifel hin und wieder: Wen interessiert das schon? Habe ich wirklich eine gute Idee ergriffen? Obwohl unsere innere Stimme sagt. Ja!
Ich werde also wieder mein Projekt in Angriff nehmen im Vertrauen, dass ich damit Menschen erreiche.
Das sind gerade meine Gedanken, die mir zu deinem Eintrag kommen.

Ich grüße dich herzlich in dieser Blogrunde
Gudrun

vom 14.08.2018, 13.35
Antwort von Josch:

Vielen Dank für die weiterführenden, vertiefenden Gedanken. Sich Ziele zu stecken, ist ganz wichtig. Man darf sie auch nicht aus den Augen verlieren, und manchmal muss man sie auch revidieren, weil neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen unter Umständen zu neuen Zielen führen. Das steht m.E. auch nicht im Widerspruch zu einem Leben im Hier und Jetzt. LG, josch p
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