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Mediales Morden macht müde

Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett

Ausgerechnet am Sonntag, dem Tag des Herrn, wie es so schön heißt, hält in steter Regelmäßigkeit und endloser Wiederholung das Grauen in deutschen Wohn- und Schlafzimmern Einzug und fesselt die Bewohner meist 90 Minuten vor den Bildschirm. Es ist einfach beruhigend, dass das Böse wenigstens im Fernsehen immer oder zumindest meistens besiegt wird, will heißen: Die Fernsehkommissare – schlau und erfahren wie sie nun einmal sind – decken die Verbrechen auf und machen die Täter dingfest, wenn diese nicht schon vorher ums Leben gekommen sind. So hat alles innerhalb 90 Minuten seine gute Ordnung: Tatort! Fast wie im richtigen Leben.



Jeder Landkreis in Deutschland sollte einen fiktiven Ermittler haben

Ganz ähnlich ist es mit dem Buchmarkt: Ein unüberschaubarer Berg an Krimis, seit einigen Jahren immer stärker regionalisiert, weil sich der Leser dann einfach besser zurechtfindet, füllt die Regale in den Buchhandlungen und den Logistic-Centern der Online-Versender. Mittlerweile gibt es auf dem deutschen Buchmarkt circa 45 regionale Krimiautoren, die vom Allgäu bis Usedom erfolgreich ermitteln. Wo man hinsieht: Mord, Totschlag, Entführung, Vergewaltigung und Raub. Klar, bei so vielen Verbrechen ist es sehr hilfreich, dass die Regionen immer kleiner werden, in denen die Ermittler den Spuren der Verbrecher konsequenter und effektiver folgen können und nicht eher Feierabend machen, bis sie das Unheil dingfest und den Mordbuben seiner gerechten Verurteilung zugeführt haben.

Als Leser kommt man nur schwer am regionalen Krimi vorbei, zumal, wenn man häufig gefragt wird: „Hast du den neuen Kluftinger schon gelesen?“ oder: „Kennst du Schafkopf von Andreas Föhr?“ oder: „Du musst unbedingt mal einen Krimi von Wolfgang Burger und seinen Ermittler Alexander Gerlach lesen. Seine Krimis werden dir gefallen.“ Dabei bin ich eigentlich gar kein so großer Krimifan und Krimileser, wie man vielleicht denken könnte. Mir ist die Realität schon Krimi genug, da möchte ich gar nicht so oft in die ausufernden Fantasien der Lehrer, Redakteure, Juristen und Journalisten hinabtauchen, die diese Krimis schreiben.

Ich habe nichts gegen den Tatort im Fernsehen. Allerdings schaue ich mir schon seit vielen Jahren keinen Tatort mehr an. Irgendwie finde ich, sind die Filme strukturell immer gleich, sehr deutsch, irgendwie fad, wie man in Österreich sagt. Ich habe selten einen Tatort gesehen, der mich am nächsten Tag noch beschäftigt hat, sieht man mal von „Reifezeugnis“ ab, der 1977 ausgestrahlt wurde und an den ich mich sogar heute noch erinnern kann. Da gehe ich lieber ins Genrekino und sehe mir einen Film an, der mich nicht nur zwei Stunden von der Realität ablenkt.

Und so geht es mir auch mit den regionalen Krimis. Da wird häufig eine verworrene Geschichte konstruiert, die man als Leser schon nach wenigen Seiten nur noch schwer durchschaut und die dazu zwingt, ständig zurückzublättern oder sich die Figuren zu notieren. Häufig merkt man als Leser auch, mit welch heißer Nadel der Text „gestrickt“ wurde, wenn Altersangaben der Figuren nicht zueinanderpassen, wenn sich die vielen Romanfiguren kaum oder nur unwesentlich unterscheiden, wenn Ortsangaben nur aus einem Grund gewählt wurden: nämlich den an seiner Region interessierten Leser zu bekommen und ihn patriotisch zufriedenzustellen. Da merkt man, dass es dem Autor nicht in erster Linie um Inhalte geht oder um Heimat, sondern um den schnellen Erfolg, sprich die möglichst hohe Verkaufsauflage.


Und der Ertrag?

Der regionale Krimi gehört streng genommen zur Heimatliteratur wie der Bauernroman oder die Liebesschnulze. Jedes Buch, das gekauft wird, ist wichtig sowohl für den Autor als auch für den Verlag. Aber was ist der Ertrag dieser Lektüre? Was gibt mir das Buch, außer dass ich beim Lesen ein paar Stunden in eine andere Welt abgetaucht bin? Dass ich von den tatsächlichen Problemen abgelenkt wurde? Gut, Krimis haben in der Regel nicht den hohen Anspruch, dass man sich mit seinen Inhalten auseinandersetzt, dass man Korrelationen herstellt, Bezüge zur Wirklichkeit etc. Sie wollen unterhalten und sonst nichts. Das ist Berechtigung genug. Jeder hat schließlich die Möglichkeit, den Tatort wegzuzappen. Man ist ja nicht dazu gezwungen, ihn sich anzusehen. Genauso ist es mit dem Heimatkrimi, den man sich ja nicht kaufen und schon gar nicht lesen muss. Schließlich orientieren sich die Programmverantwortlichen ausschließlich an den Käuferzahlen und Einschaltquoten. Sie sind nicht für die Verblödung oder Einlullung der Konsumenten zuständig. Und wenn es sonst keine Spannung im Leben gibt, dann eben vor dem Fernseher oder bei einem Heimatkrimi, der gar nicht absurd genug sein kann, Hauptsache, er macht neugierig. Das reicht. Das wird dann abwechslungsreiche und vielfältige mediale Unterhaltung genannt. 

© Abbildung: fotolia, samuel

Josch 11.11.2018, 17.02

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