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Ausgewählter Beitrag

Spielen, tanzen, darstellen

„Verloren der Tag, wo nicht einmal getanzt wurde“

Friedrich Nietzsche

Vor Kurzem stieß ich beim Umräumen auf ein paar Bücher, die mir in meinem „früheren Leben“ unendlich viel bedeuteten und die ich schon seit Jahren nicht mehr in der Hand hatte. Thema: spielen, tanzen, darstellen. Ich las mich fest, wie es mir früher oft erging, wenn ich mich mit dem Thema „Spiel“ und „Theater“ beschäftigt habe. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr sich doch die Bedeutung von Spiel in unserem Alltag verändert hat. Denkt man heute nicht in erster Linie an Computerspiele, an Onlinespiele, an sogenannte „YouTuber“, die mehr als ihren Lebensunterhalt mit – wenn man so will – spielerischen Inhalten verdienen? Dabei ist Spiel viel mehr als das letztendlich unpersönliche digitale Spiel im Internet.



Spielen ist zweckfreies Tun

„Spiel ist eine zweckfreie Tätigkeit, ist eine Beschäftigung aus Freude an ihr selbst. Spiel ist ein Zeitvertreib, ist Kurzweil, ist eine unterhaltende Beschäftigung nach bestimmten Regeln“, so wird der Begriff im Wahrig, dem deutschen Wörterbuch, definiert. Etymologisch (Etymologie ist die Lehre von der Herkunft der Wörter) leitet sich das Wort von Tanz „mit Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsschritten“ ab, wie es im Kluge, dem etymologischen Wörterbuch heißt. Spiel und Tanz gehören also eng zusammen, kaum zu glauben, wenn man sich überlegt, was wir heute mit dem Begriff „Spiel“ verbinden. Wie zweckfrei ist zum Beispiel das Milliardengeschäft Fußball, zweifelsfrei eine Form von Spiel wie jede Sportart? Wie zweckfrei ist das oben erwähnte Gaming? Computerspiele, die von weitgehend anonymisierten Konzernen entwickelt und auf den Markt geworfen werden und mit denen Unsummen „eingespielt“ werden.


Zwei wunderbare Geschwister: Spiel und Tanz

Was Spielen letztendlich ist, also das zweckfreie Tun, die kurzweilige Beschäftigung, das lässt sich am besten an Kindern beobachten. Kinder spielen sich gewissermaßen ins Leben. Kraft ihrer Fantasie können sie jeden Gegenstand in ihr Spiel einbeziehen oder besser: in etwas Bestimmtes verwandeln. Da wird der Pantoffel zur Garage für Spielzeugautos, der Opa zur Prinzessin, der Stuhl zu einem Hund usw. Das ist Spiel im Vollsinn. Da gibt es den unmittelbaren Bezug zum Mitspieler, keine Person, die man nur auf dem Bildschirm sehen kann und die nicht real anwesend ist. Beim Spiel am Bildschirm ist jedes Gefühl, das beim „richtigen“ Spiel ausgelöst wird, lediglich eine Konserve, nicht unmittelbar, im Hier und Jetzt präsent und spürbar. Medien können mir alles Mögliche vorgaukeln, und ich weiß nicht, ob es real oder lediglich geschwindelt (heute: gefakt) ist.

Wie wichtig das unmittelbare Tun beim Spiel ist, zeigt seine Verwandte, der Tanz. Auch wenn ich mir stundenlang Tanzsendungen im Fernsehen ansehe, kann dies mein eigenes Tanzen nicht annähernd ersetzen. Als Tanz bezeichnet das Wörterbuch ein rhythmisches, meist von Musik begleitetes Bewegen. Natürlich kann man auch ganz ohne Musik tanzen. Wenn man sich über etwas ganz besonders freut, wenn uns nach langer Anstrengung etwas Schwieriges gelungen ist, dann möchten wir am liebsten tanzen, möchten vor Freude, Glück und Hochgefühl in die Luft springen, uns drehen, einen – vielleicht sogar – wildfremden Menschen umarmen und ihn mit uns herumwirbeln, möchten jubeln und schreien oder singen und pfeifen, weil es so schön ist. Ja, Tanz und Spiel gehören eng zusammen.


Spielen ist Tun als ob

Spiel ist ein als ob. Wir tun so, als ob. Denn das, was wir tun, ist nicht die strenge Wirklichkeit, obwohl diese Art von Spiel auch eine Wirklichkeit darstellt, aber nicht die wahre Realität. Schauspieler leben ihre Rolle im als ob aus: Sie spielen einen Mörder, sind es aber in Wirklichkeit nicht. Sie spielen einen bis über beide Ohren verliebten Menschen und sind in Wirklichkeit ganz und gar nicht in den Menschen, dem ihre Liebe im Spiel gehört, verliebt. Ja, oft ist er ihnen innerlich sogar fremd. Aber sie spielen eben so, als ob sie wirklich verliebt wären. Ich habe vor langer Zeit einmal gelesen, dass es unter Schauspielern relational weit weniger Mörder, Einbrecher, Betrüger etc. gibt als in anderen Berufen. Ob dies stimmt oder nicht, nachvollziehbar ist es jedenfalls: Wenn man den Mörder im Spiel ausgelebt hat, muss man nicht im wirklichen Leben jemand umbringen.

Und was das Tanzen betrifft: Wie würde eine Welt aussehen, in der mehr getanzt würde? Wenn Politiker mehr singen, mehr tanzen würden? Wer singt, kann nicht schimpfen, kann nicht gleichzeitig wütend auf den anderen einschlagen, während er singt. Da würde sein Singen zu einem furchtbaren Gekrächze werden. Wer sich im Rhythmus bewegt, sich von Musik treiben lässt, vergisst für diesen Moment seine Sorgen, Ängste und Nöte. Spielen und Tanzen ist Hingabe an den Moment, ähnlich einer tiefen Versenkung bei der Meditation.


Spielen ist Leben nach Regeln

Und noch etwas ist beim Spielen ganz wichtig: Die Regel. Spielen verläuft nach bestimmten Regeln. Denken wir nur an Gesellschaftsspiele, an Fußball, an Kartenspiele, an Theater. Und diese Regeln gelten für alle, die sich an dem jeweiligen Spiel beteiligen, ohne Ausnahme. Das zeigt auch die enorme soziale Dimension, die mit dem Spiel verbunden ist. Wenn ich oben gesagt habe, Kinder würden sich ins Leben spielen, dann erahnt man, wie wichtig es ist, dass Kinder im Spiel Regeln lernen können. Es gäbe noch so viel zu diesem Thema zu sagen. Nur eines noch: Bei Friedrich Nietzsche heißt es auch: „Und falsch heiße ich jede Wahrheit, bei der es nicht ein Gelächter gab“ (aus: „Also sprach Zarathustra“). Welch wunderbare Weisheit. Im spielenden Menschen vereinigen sich Tragik, Lachen und Weinen zu einer seelischen Einheit.

Wir sollten wieder öfter richtig spielen, nicht nur am Computer, nicht nur als Zuschauer, nicht nur aus der Distanz beobachten, sondern richtig spielen, selbst, und tanzen! Und wenn es nur für einen kurzen Moment möglich ist. Bauen wir doch Spiel und Tanz in unseren Alltag ein!

Copyright Abbildung (c) Fotolia, Alexander Y

Josch 25.03.2018, 20.02

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