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Sprachmarotten

Sprechen Sie Deutsch?

Es ist schon erstaunlich, wie sich in kürzester Zeit Marotten, seltsame Verdrehungen und richtiggehend Fehler in die Sprache einschleichen. Wir nennen das dann Umgangs- oder Alltagssprache. Da Sprache nichts Statisches ist, sondern sich immer und zu jeder Zeit entwickelt, sind Veränderungen nichts Außergewöhnliches, auch nichts Schlimmes, im Gegenteil: Manche Entwicklungen in der Sprache sind wunderbar. Manches ist dabei produktiv, wie es in der Linguistik heißt, sind also Entwicklungen, bei der sich eine bestimmte Systematik feststellen lässt, die zeigt, wie diese Wortbildungen funktionieren.



Die Sprache verrät das Denken

Da sich in der Sprache immer das Denken des Sprechers verrät, erlaubt und führt diese Veränderung auch zu Interpretationen und Bewertungen. Leider gibt es aber auch Wendungen, die schlicht und ergreifend falsch sind. Verben (zu meiner Zeit wurden sie in der Grundschule „Tun-Wörter“ genannt) kann man nicht steigern. Und trotzdem wird immer wieder von best bezahltesten Menschen gesprochen, sogar im Rundfunk. Das ist, als würde ich arbeiten steigern: arbeiten, arbeitender am arbeitetsten …, Es reicht ganz und gar, vom best bezahlten Menschen zu sprechen. Das beschreibt ganz eindeutig einen bestimmten Sachverhalt. Zu best bezahlt gibt es keine Steigerung mehr. Ebenso ist es mit der Wendung am optimalsten. Den Superlativ optimal kann man nicht steigern, es ist schon der höchste Grad (siehe auch ideal; idealer und am idealsten ist einfach falsch, weil es eben keine Steigerung von ideal gibt).

Zu den falsch verwendeten, meist aus dem Lateinischen kommenden Formen gehört  auch die falsche Pluralbildung von Praktikum. Da wird häufig von Praktikas gesprochen, dabei ist Praktika schon der Plural von Praktikum. Damit ist Praktikas ein doppelter Plural, den es verständlicherweise nicht gibt.


Sprachliche Modeerscheinungen

Dann gibt es Modeerscheinungen, wie zum Beispiel das Zeitfenster. Dabei sagt das Wort Zeit (allein) schon alles. „Wann hast du dafür Zeit?“, „Wieviel Zeit brauchst du dafür?“ etc. Aber sobald einmal irgendein besonders hipper (angesagt, aktuell, modern etc.) Moderator so ein Wort in den Äther spricht, scheint es sich exponentiell zu vermehren. Dazu gehört für mich auch das Wort Timing, worunter Zeiteinteilung, Zeitplanung bzw. die zeitliche Abstimmung gemeint ist. In manchen Fällen – zum Beispiel im Fußball – päzisiert das Wort einen bestimmten Vorgang, weswegen seine Verwendung ganz in Ordnung ist. Ganz im Gegensatz zu der neudeutschen Form Wording, die ich ganz schlimm finde, da das Wort wunderbare Entsprechungen im Deutschen hat, zum Beispiel Formulierung oder Wortwahl etc.


Werbe- und Marketingsprache

In verschiedenen Werbungen taucht immer wieder einmal das Wort Gratisgeschenk auf. Seit wann muss man für ein Geschenk bezahlen? Ist ein Geschenk nicht per se gratis, also umsonst?  Sonst wäre es doch kein Geschenk. Warum also der Zusatz gratis? In diesen Zusammenhang gehört auch das Wort Bedarfe, das ein rein betriebswirtschaftliches Kunstwort darstellt, denn Bedarf ist unzählbar und kann daher keinen Plural bilden, ähnlich wie Sand oder Wasser (im Gegensatz zu den verschiedenen Mineralwässern!). 


It makes no sense

Ganz furchtbar finde ich die Verwendung von es macht keinen Sinn, gewissermaßen die wörtliche Übersetzung aus dem Englischen: it makes no sense, wobei making sense mit einleuchtend richtig übersetzt wäre. Im Deutschen kann man Sinn nicht machen. Sinn ergibt sich, etwas ist sinnvoll oder sinnlos, ein Sinn erschließt sich etc. (siehe dazu auch die wunderbare Glosse von Bastian Sick in seinem ersten Buch: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod aus dem Jahr 2004!, Seite 47: „Stop making sense“). Man macht eher irgendwelche Haufen. In diese Kategorie gehört auch Business Administration, was auf gut Deutsch als Betriebswirtschaft bezeichnet werden darf. Ganz zu schweigen von den Wortpanschern, die combinen im deutschen Kontext sagen, statt kombinieren, content statt Inhalt, term papers statt Seminarbeit oder Hausarbeit oder Semesterarbeit. Das klingt so richtig cool.


Produktive Wortbildungen

Neulich habe ich in einem Werbetext, den ich „durchschauen“ sollte, das Suffix bar durch den entsprechenden und eleganteren Infinitv ersetzt (Beispiel: „ist nicht durchsetzbar“, ersetzt durch: „lässt sich nicht durchsetzen“ oder „ist nicht durchzusetzen“), was die Marketingabteilung wieder zurückgenommen hat. Armes Deutsch, habe ich mir gedacht. Auch wird häufig konsequent ein hölzern klingender Nominalstil bevorzugt, wo die Verbalform wesentlich schöner, einfacher, besser verständlich und lebendiger klingen würde. Der Nominalstil wurde uns leider in der Oberstufe und an der Universität eingebläut. Schließlich reden die Politiker ja auch so ein Juristendeutsch. Eine lebendige Sprache ist das allerdings nicht: Im Falle des Verlusts der Eintrittskarte gibt es keinen Ersatz oder doch besser: Eintrittskarten werden nicht ersetzt?


Und das Fazit?

Ist jemand, der viele Anglizismen in seine Rede einbaut, gebildeter? Unsere Sprache ist verräterisch. Sie zeigt dem Hörer, wie wir denken. Auch in der Umgangssprache zeigt sich, ob wir differenziert, nuanciert denken. Wer wahllos nicht nur englische Floskeln verwendet, geht nicht achtsam mit sich um. Er bleibt an der Oberfläche, was manchmal notwendig ist, um sich nicht zu verlieren. Aber wenn es um einen echten Dialog geht, wenn wir uns schriftlich mitteilen, dann sollten wir auf Ungenauigkeiten achten, sonst werden wir nicht ernst genommen.

Diese kleine „Stilkunde“ soll mit weiteren Beiträgen auf diesem Blog fortgesetzt werden.

Copyright Abbildung: (c) Fotolia, Sven Krautwald

Josch 12.03.2018, 13.01

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