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Verletzte Herzen. Rockparty in Weidenberg

… Gabi und Tim, Folge 1

Die Tenne in Weidenburg war brechend voll, die Besucher des Beatkonzerts saßen auf Tischen, Stühlen, der Treppe, die zur Galerie hinaufführte, lehnten an der Brüstung oder standen vor der Bühne dicht an dicht gedrängt, während auf der Tanzfläche die jungen Leute im Takt der Musik sprangen, hüpften und die Arme schwangen, als führten sie einen Veitstanz auf. Dazwischen schoben sich einige Pärchen eng umschlungen durch die Menge, verharrten mit geschlossenen Augen, während sie sich küssten...



Gabis Vater begeleitete seine Tochter bis an den Eingang zum Saal, bezahlte den Eintritt für sie und drückte ihr zehn Mark in die Hand. Sie umarmte ihn, küsste ihn auf die Wange, drehte sich mit einem Lächeln um und verschwand im Gewühl, umtost von schweißnassen Körpern im Lärm der alles übertönenden Gitarrenriffe und Schlagzeugwirbel. Die Black Strikers machten einen tollen Beat. Sie waren schon öfter in der Tenne aufgetreten. Aber Gabi war noch nie bei einem solchen Beatkonzert gewesen. Besonders der Sänger mit seinen blonden langen Haaren hatte es den Mädchen angetan. Wenn er vorn am Bühnenrand hin und herlief, wie er es offensichtlich Mick Jagger abgeschaut hatte, und seine Liedtexte ins Mikrofon plärrte, schrien und kreischten sie vor Verzückung, hielten sich die Hände an den Kopf oder vor den Mund, reckten die Arme in die Höhe oder fuchtelten wild herum. Manche warfen dem Sänger Kusshände zu und bejubelten jeden Song, den die Band spielte. Die allermeisten Nummern waren von den Beatles, den Rolling Stones, den Monkeys, von Amon Corner oder von den Mamas und Papas, einige auch von den Rattles und Lords. Wenn der Bassist seine einfachen, aber eingehenden Riffs spielte und der Schlagzeuger ekstatisch auf sein Instrument eindrosch, dass die Tische bebten und die Stühle wackelten, wenn die jungen Männer pfiffen und brüllten, konnte man den Lärm in ganz Weidenburg hören.

Gabi wollte gerade zur Theke gehen, um sich eine Cola zu holen und nach Heidi Ausschau zu halten, die mit Tim und ihrer Schwester kommen wollte, als sie plötzlich Jakob sah. Sie wusste schon lange, dass er ein Auge auf sie geworfen hat. Idiotisch, wie er sie auf dem Pausenhof immer anstarrte. Eigentlich war ihr das unangenehm. Deswegen hat sie auch noch nie ein Wort mit ihm gewechselt. In ihrer Klasse gab es allerdings einige Mädchen, die von ihm schwärmten, weil er in ihren Augen der Star bei den Theateraufführungen war. Am meisten beeindruckte einige, dass er bei den Schulkonzerten durchs Programm führte und dabei Gedichte vortrug oder kleine Witzchen reißen durfte, was bei Eltern und Lehrern gut ankam. Er war auch nicht unbedingt ihr Fall mit seinem schlaksigen Körper, den schräg stehenden Augen und dem ironisch verzogenen Mund. Von Martha wusste sie jedenfalls, dass er die Leute oft verarschte oder lächerlich machte. Auch von seinen Allüren hatte Martha erzählt. Noch während sie so überlegte, kam er plötzlich auf sie zu, nickte ernst und fragte sie, ob er sie auf einen Drink einladen dürfe. Sie war davon so überrascht, dass sie im ersten Moment nicht wusste, was sie sagen sollte. Aber da war er schon wieder weg und kam nach ein paar Minuten mit zwei Flaschen Cola zurück, die er etwas linkisch auf den Bistrotisch stellte und sich zu ihr herüberbeugte. Er wollte wissen, ob ihr die Black Strikers gefielen, was sie bei der lauten Musik nicht sofort verstand. Aber da kam er schon um den Tisch herum und schrie ihr die Frage ins Ohr, worauf sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm ebenfalls ins Ohr schrie, dass sie zum ersten Mal hier sei. Er lächelte sie unsicher an, dann deutete er fragend auf die Tanzfläche. Noch bevor sie antworten konnte, hatte er seine Hände schon auf ihre Schultern gelegt, sie sanft umgedreht und sie vor sich her auf die Tanzfläche geschoben.

Gabi war ziemlich verblüfft. Ganz schön frech der Knabe, dachte sie, eigentlich gar nicht übel. Da sah sie plötzlich Tim, der offenbar ohne Gisela da war. Jedenfalls schäkerte er mit einem fremden Mädchen herum. Jakob hatte sich inzwischen eng an sie gedrückt, was ihr in diesem Moment gar nicht unangenehm war, erweckte es doch den Anschein, als sei Jakob ihr Freund. Vielleicht würde dies Tim ja animieren, bei ihr sein Glück zu versuchen, sollte er sie bemerken. Für Tim hätte Gabi sogar einen Streit mit Heidi in Kauf genommen. Ihr Herz pochte, während sie an ihn dachte und ihre Arme um Jakob schlang. Tanzen jedenfalls konnte Jakob. Endlich machte die Band eine Pause, und sie drängten sich durch die Menge an ihren Tisch zurück. Sie nippte gerade an ihrer Cola, als sie seine Stimme hörte. Er hatte sie also doch bemerkt.

 

Auszug aus: Josef K. Pöllath: Verletzte Herzen. Neobooks. eBook. 406 Seiten. 4,99 €. Erhältlich in allen Online-Bookshops, zum Beispiel Thalia.de

Josch 06.11.2023, 11.47

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