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Warum das Layout eines Buches so wichtig ist

Bei einem Buch sollten Form und Inhalt eine Einheit darstellen. Vielen Buchschaffenden scheint das aber nicht bewusst zu sein, zumindest sehen viele Bücher heute immer noch so aus wie vor 40, 50 Jahren. Die Lesegewohnheit hat sich jedoch in den letzten dreißig Jahren ganz entscheidend verändert. Die einschneidendsten Änderungen gingen von der immer stärker werdenden bunten Bilderflut und den neuen Medien aus. Dies führte zu einer anderen Aufnahme- und Sehgewohnheit.



Vorreiter Focus

Diesen Veränderungen in der Rezeption trug Anfang der 1990er-Jahre erstmalig das Nachrichtenmagazin Focus Rechnung. Das damals revolutionäre Layout setzte konsequent auf das sogenannte Doppelseitenprinzip, auf Kästen, die zusammenfassten, auf kurze und prägnante Zwischenüberschriften, auf eine Bebilderung, die nicht nur illustrierte, sondern häufig visualisierte. Viele Leser, vor allem jene, die bis dahin vorwiegend den Spiegel gewohnt waren, rümpften herablassend die Nase über diese scheinbare Trivialisierung.

Doch solch hochmütige Reaktionen verkannten, dass das Layout des Focus vor allem eines war: visionär. Es trug konsequent dem veränderten Leseverhalten der Zielgruppe Rechnung, es ging auf die Leser ein, statt an ihnen vorbei.


In der Kürze liegt die Würze

Was bedeutet das konkret? Wenn ich mich nicht mühsam durch eine vermeintlich intellektuell verschachtelte Syntax kämpfen muss mit Sätzen von 40, 50 und mehr Wörtern, dann erhöht das spürbar die Lesegeschwindigkeit. Denn durch kürzere Sätze werden auch die Inhalte einfacher. Sie lassen sich schneller und müheloser aufnehmen. Wolf Schneider hat schon vor dreißig Jahren auf den „Krampf“ hingewiesen, „den die meisten Redakteure ohne viel Nachdenken produzieren, weil sie sich den Sitten und Zwängen ihrer Branche fügen, beim Spiegel entsteht er aus klarem Vorsatz, er gehört zur Geschäftsgrundlage (...), der Spiegel glänzt von verborgener Grammatik, manierierter Wortwahl und verschrobenen Stilfiguren“, schreibt Schneider.

Diesem Schachtelsatzgehabe setzte der Focus damals ein beeindruckendes Konzept entgegen, das sich durch Übersichtlichkeit, Klarheit, einfacher Bildsprache, konsequenter Wechselwirkung von Sprache und Form auszeichnete. Und einige Ratgeber-Verlage haben sich sehr schnell so manches Element vom Nachrichtenmagazin Focus abgeschaut und es folgerichtig auf das Buchlayout übertragen.

Ich darf vielleicht erwähnen, dass es mir gar nicht um die konkreten Inhalte, die politische Ausrichtung des Focus geht, sondern lediglich um die Aufbereitung, die Vermittlung der Inhalte, also: Wie sage ich es meinem Leser.

Natürlich funktioniert eine übersichtliche und klare Darstellung, die in angemessener Kürze daherkommt („In der Kürze liegt die Würze!“), nur durch eine einfache Aufbereitung der Inhalte. Und hier setzte so mancher Pseudo-Intellektuelle an: Komplizierte Inhalte würden sich nun mal nicht einfach darstellen lassen. Und auch das ist ein Irrtum. Hier nennt Wolf Schneider drei Regeln, sozusagen die Voraussetzung für einen verständlichen Schreibstil:

1 Fass dich kurz

2 Fass die Sache, triff das Ziel

3 Liebe deinen Leser wie dich selbst.

 

Manchem Journalisten ist der Leser offenbar egal

Wenn man den Kern dieser Regeln auf den einen oder anderen Nachrichten-, Zeitungs- und Buchtext anwendet, stellt man sehr schnell fest, wie lieblos und im Grunde gedankenlos hingeschmiert so mancher Text ist und wie egal dem Autor offenbar seine Leser sind. Und obendrein scheinen die Schreiberlinge auch noch stolz auf ihr Geschwafel zu sein.

Ich darf noch einmal auf die Bilderflut zurückkommen, die uns Heutige zu ersticken droht und der wir auch in vielen Ratgebern und bebilderten Sachbüchern ausgesetzt sind. Da wird gnadenlos bebildert, ohne groß zu reflektieren, welche Funktion das jeweilige Bild für den Inhalt des Buches hat. Ich möchte dies mit folgendem Beispiel verdeutlichen: Wenn es in einem Gesundheitsratgeber einen Textabschnitt gibt, der die Wirkung von Vitamin C beschreibt, dann kann man zwar eine Zitrone abbilden und in der Bildunterschrift schreiben: Dies ist eine Zitrone. Das hat für den Normalleser keinerlei Erkenntnisgewinn. Denn wer wüsste nicht, dass eine Zitrone Vitamin C enthält. Besser wäre es, ein Vitamin-C-Molekül abzubilden oder sogar ganz auf den Text zu verzichten und den Inhalt mit einem Bild zu transportieren. Dies wäre dann sogenannte visualisierende Bebilderung. Eine Bebilderung, mit der eigene Inhalte transportiert werden. Eine visualisierende Bebilderung ist anspruchsvoller als eine nur illustrierende Bebilderung. Und sie ist für den Autor und Redakteur weit mühevoller und zeitaufwendiger. Sie kann nämlich niemals beliebig sein.


Form und Inhalt eines Buches stellen eine Einheit dar

Und damit bin ich bei meiner eingangs formulierten Forderung: Form und Inhalt sollten in einem Buch, hier also in erster Linie bei einem bebilderten Buch, eine Einheit darstellen. Bilder haben zum Beispiel in einem Ratgeber-Buch die gleiche Bedeutung wie der Text. Und das lässt ich auch auf das grafische Konzept übertragen: Eine funktionale Grafik zeigt sich in der bewussten und reflektieren Farbgebung. Farben dürfen keinesfalls beliebig sein. Als Leser frage ich mich oft, warum ein bestimmter Rahmen an einer Stelle rot, an einer anderen Stelle im Buch auf einmal blau ist. Dabei sollte jede Farbe für eine bestimmte Funktion stehen. Nur so kann das wohl durchdachte, funktionale Layout auf feine Weise Inhalte transportieren und vereinfachen, die zusammengehören, ohne sie groß kommentieren zu müssen.

Auch das gehört zu der von mir geforderten Lesefreundlichkeit, auf die ich in einem meiner nächsten Beiträge zum Thema „Verlagswelten“ noch einmal zurückkommen möchte.

Copyright Abbildung: (c) Fotolia Rawpixel.com

Josch 14.03.2017, 12.16

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