Tag: Liebe
Manns-Bilder
In einer Zeit, in der Romane mit männlichen Protagonisten in den vom Marketing dominierten Lektoraten offenbar chancenlos sind, weckt ein solches Buch, in dem es um den Mann geht, allein des Titels wegen schon mein allergrößtes Interesse. Unbesehen der Frage, ob ein mir bisher fremder Autor meine Sicht auf den Mann verändern oder gar erweitern könne. Vielleicht ergeben sich ja sogar neue Einsichten für mich persönlich und machen damit eventuell notwendige therapeutische Hilfe überflüssig. Ja, es sind schon eigenartige Charaktere, die David Szalay in seinem Roman – der genau genommen eigentlich aus abgeschlossenen Kurzgeschichten besteht, wenn man die erste und die letzte davon ausnimmt, die raffiniert miteinander verwoben sind – entwickelt.
...weiterlesenJosch 21.02.2023, 18.13 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Für den Frieden muss man reden …
… habe ich in einem Buch aus dem Jahr 1971 gelesen. Es gibt wahrscheinlich nichts, was uns 2022 mehr beschäftigt hat als dieser furchtbare Krieg in der Ukraine. »Für den Frieden muss man reden, denn man braucht kein Gewehr, um jemanden abzuschießen. Worte tun es auch«, heißt es weiter. Ja, vor 50 Jahren konnte man noch relativ unbefangen über Krieg und Frieden reden und schreiben. Kriege waren Gott sei Dank weit weg von uns. Nun aber kam der Krieg beängstigend nah an uns heran; Krieg bedroht unseren Wohlstand, bringt Kälte in unsere Wohnzimmer. Unfassbar.
...weiterlesenJosch 26.12.2022, 16.22 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL
Erwachsenwerden am Rand der Verzweiflung
Duchess, ein dreizehnjähriges Mädchen, lebt mit ihrem fünfjährigen Bruder Robin und ihrer Mutter Star in Cape Haven, einem fiktiven Ort an der Westküste der USA. Duchess kümmert sich nicht nur rührend und in aufopferungsvoller Liebe um ihren Bruder, sie muss auch für ihre verzweifelte Mutter sorgen. Die äußerst attraktive Star, die mit Auftritten in heruntergekommenen Bars den Lebensunterhalt der Familie mehr schlecht als recht bestreitet, ist aufgrund ihres Alkohol- und Tablettenkonsums oft tagelang nicht ansprechbar. Dank Chief Walker, dem Freund aus alten Zeiten, der seine schützende Hand über die drei hält, ist es noch zu keiner Katastrophe gekommen.
...weiterlesenJosch 30.09.2022, 11.03 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Was anonyme Botschaften "anrichten" können
Vor Kurzem las ich auf einem Briefkasten: „Schreib ihr einen Liebesbrief. Dass sie in 40 Jahren Whatsapp-Nachrichten auf dem Dachboden findet, ist eher unwahrscheinlich.“ Im ersten Moment musste ich über die Empfehlung mit wasserfestem Stift in geschwungener, gut lesbarer Schrift auf die Oberseite des gelben Kastens geschrieben, schmunzeln. Doch dann ließ mich diese originelle Aufforderung (wahrscheinlich ein Werbegag der Post) einfach nicht mehr los. Ich überlegte: Wann bekam ich in den letzten Monaten einen persönlichen Brief? Also keine Rechnung, keine Werbesendung, kein offizielles Schreiben des Finanzamts oder der Stadtverwaltung? Einen richtigen, an mich persönlich adressierten, per Hand geschriebenen Brief eines mir nahestehenden, lieben Menschen? Das ist schon eine Ewigkeit her.
...weiterlesenJosch 01.08.2022, 11.05 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Freies Liebesleben unter hasserfüllten Spießern
Ein unglaubliches Buch. Unglaublich sein Inhalt. Unglaublich die Arbeit, die Mühe, das Detailwissen, das in diesem Buch steckt. Unglaublich, weil es einen Gegenentwurf darstellt zu all dem, was normalerweise über die dunkelste Zeit deutscher Geschichte publiziert wird und was wir offenbar kaum oder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen haben. Es beschreibt die Liebe in Zeiten zunehmenden Hasses, eine Liebe, wie sie nur Künstler bzw. Intellektuelle ausleben konnten. Die breite Masse jedenfalls schien davon nichts gewusst zu haben, wie sie auch von den Gräueltaten nichts gewusst hat, wie nach dem Ende des Schreckens vielfach behauptet wurde. Das »Nichtwissen« kam den Künstlern entgegen. Denn hätte die Öffentlichkeit von Schwulen und Lesben, von offenen Partnerschaften und ständigen Partnerwechseln gewusst, wäre manch Liebende bzw. Liebender für immer in den Gefängnissen und Konzentrationslagern verschwunden.
...weiterlesenJosch 10.07.2022, 14.18 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Eine Geschichte von Liebe und Tod
Am 17. Mai 1943 werden Professor Dr. Salomon Waterdrager, seine Frau Henny und ihre Tochter Annabeth in Amsterdam verhaftet und in ein heruntergekommenes Vorstadttheater gebracht, das als Sammelstelle für die Deportation in ein Konzentrationslager dient. Dabei hatte ihm noch zwei Tage zuvor der Leiter der Deportationen für seine außerordentlichen Verdienste in der Jurisprudenz eigenhändig den Sperrstempel in seinen Personalausweis gedrückt. Salomon Waterdragers ist überzeugt, dass es sich nur um einen Irrtum oder eine Verwechslung handeln könne.
Während Professor Waterdrager vehement gegen die Verhaftung protestiert und seine Frau Henny aufgeregt durchs Zimmer geht und Unnötiges zusammenpackt, fügt sich die bildhübsche Annabeth widerspruchslos in ihr Schicksal. Sie wusste, dass es um Leben und Tod geht. Und sie will leben, leben um jeden Preis.
...weiterlesenJosch 04.02.2022, 16.25 | (2/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Porträt einer Gesellschaft, die ins Rutschen geraten ist
James Baldwin ist einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. „Warum James Baldwin lesen, heute, dreißig Jahre nach seinem Tod?“, fragt Verena Lueken in ihrem Vorwort zu Baldwins Roman Von dieser Welt. Und sie gibt die treffende Antwort: „Wer einmal einen Satz von ihm laut aufgesagt hat, wird die Frage überflüssig finden.“ Genauso ging es mir, als ich die neue Übersetzung von Ein anderes Land gelesen habe. Es ist ein unglaublich tief berührender Roman, der einen hineinzieht in die „rassistisch gespaltene US-amerikanische Gesellschaft der Fünfzigerjahre“, wie René Aguigah im Nachwort des Buches ausführt.
...weiterlesenJosch 24.06.2021, 12.26 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Josch 16.04.2021, 19.56 | (0/0) Kommentare | TB | PL
„Sprung in der Schüssel“
Eine asiatische Weisheit
Es war einmal eine alte chinesische Frau, die zwei große Schüsseln hatte. Diese hingen an den Enden einer Stange, die sie über ihren Schultern trug. Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, während die andere makellos war. Mit den beiden Schüsseln holte die Frau jeden Tag Wasser vom Fluss.
Am Ende der langen Wanderung vom Fluss zum Haus der alten Frau enthielt die eine Schüssel stets die volle Portion Wasser, die andere war jedoch immer nur noch halb voll. Zwei Jahre lang geschah dies täglich. Die alte Frau brachte immer nur anderthalb Schüsseln Wasser mit nach Hause. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung. Die Schüssel mit dem Sprung jedoch schämte sich wegen ihres Makels und war betrübt, dass sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie gemacht worden war.
Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach die Schüssel zu der Frau: „Ich schäme mich so wegen meines Sprunges, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer Wasser läuft.“
...weiterlesenJosch 09.10.2019, 19.47 | (0/0) Kommentare | TB | PL
=Angeklagte, Beklagte, Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Zeugen
Der Roman spielt im München der frühen 1950er-Jahre bis herauf ins Jahr 2017. Thirza Zorniger, genannt Tizzi, ist die Tochter von Carlos Zorniger, einem berühmten Schauspieler, und Gudrun Zorniger. Die Ehe von Tizzis Eltern geht schon früh in die Brüche, da Carlos unzählige Affären hat. Thirza wächst nach der Trennung der Eltern bei ihren beiden Großtanten – Schossi und Berti – und den Großeltern in Pasing auf. Der Großvater, ein aus Ostpreußen stammender ehemaliger Strafrichter, in Jura promoviert, streng zu allen, außer zu sich selbst, wird von der Mutter Thirzas wegen seiner früheren Nähe zum Nationalsozialismus verachtet. Wilhelm arbeitete in der Verwaltung des Bayerischen Rundfunks, was ihm bis ans Lebensende zu schaffen machte, und sorgte für den Unterhalt seiner beiden Schwägerinnen und der eigenen Familie. Thirzas Mutter hatte auch Jura studiert, war aber aufgrund der Ehe mit Carlos zum zweiten Staatsexamen gar nicht mehr angetreten. Gudrun stirbt schon sehr früh an Krebs...
...weiterlesenJosch 15.04.2018, 12.58 | (0/0) Kommentare | TB | PL