Thema: Reflexionen
Der Kampf um den richtigen Ausdruck
Es ist mir ein Bedürfnis, wieder einmal über die deutsche Sprache nachzudenken. Ich habe mich nahezu mein ganzes Leben an Stil, Grammatik, Syntax und Interpunktion abgearbeitet und dabei immer wieder mit den gleichen Problemen und Konflikten gekämpft. Ich muss immer noch den inneren Kampf überwinden, wenn ich als Lektor in einen fremden Text eingreife und ihn bearbeite, weil ein Verlag mich damit beauftragt hat, also wünscht, dass ich den Text verbessere. Doch ich bin einfach unsicher. Besonders stark wird der Konflikt, wenn ich allgemein und vielfach verwendete unschöne oder umgangssprachliche, teilweise falsche Formen verbessere bzw. ersetze. Darf ich das? Aber stehen lassen kann ich die mich störenden Ausdrücke oder Wendungen auch nicht. Das würde meinen inneren Zwiespalt nur auf eine andere Ebene verlagern, und ich würde mir vorwerfen, keine gute Arbeit geleistet zu haben. Was also tun?
...weiterlesenJosch 14.07.2021, 17.45 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Ostern und Covid-19
Ostern ist nach christlichem Verständnis das Fest der Hoffnung, der Auferstehung. Man muss nicht an eine wie auch immer geartete Auferstehung glauben. Allein die Überzeugung, die Zusage oder auch das Wissen aus Erfahrung, dass etwas weitergeht, dass nicht aller Tage Abend ist, dass man hoffen darf, ist es, weswegen Ostern etwas Besonderes ist. Ostern ist für Christen das bedeutendste Fest im Kirchenjahr. Agnostiker oder Atheisten verbinden mit Ostern einfach den Frühlingsbeginn oder die aufgehende Sonne, was allemal Grund zum Feiern sein könnte. Ostern markiert also einen Neubeginn, einen Aufbruch, das Heraustreten aus der Dunkelheit. Die Dunkelheit wird überstrahlt vom Licht. Und was bedeutet Ostern hinsichtlich der Covid-19-Pandemie? Verbinden sich mit Ostern in diesem Jahr nicht alle unsere Erwartungen und Hoffnungen, dass es endlich mit den Impfungen vorangeht?
...weiterlesenJosch 02.04.2021, 17.37 | (0/0) Kommentare | TB | PL
"Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können."(Jean Paul, 1763-1825)
Ich möchte mit meinen Erinnerungen nur erzählen und längst Vergangenes – oder Vergessenes – aus dem Archiv der Belanglosigkeit hervorholen, es noch einmal wie einen Film vor meinem geistigen Auge ablaufen lassen. Erinnerungen aus sechs Jahrzehnten. Sie sind nicht systematisiert und daher für die Erklärung des Weltgeschehens nicht geeignet.
...weiterlesenJosch 31.03.2021, 11.34 | (5/5) Kommentare (RSS) | TB | PL
„Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang“
In den 1970er-Jahren setzte ich in der Jugendarbeit öfter den Film „Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang“ ein. Der Dokumentarfilm von Hans-Dieter Grabe und seinem Kameramann Carl-Franz Hutterer zeigt den Einsatz des deutschen Hospitalschiffs Helgoland während des Vietnamkriegs vor Da Nang. Der grausame Krieg in Vietnam war zu der Zeit in Deutschland schon fast in Vergessenheit geraten und kam in den Nachrichten bestenfalls in dem formelhaften Satz „Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang“ vor, während der Film die furchtbaren Auswirkungen dieser „leichten“ Kämpfe auf der Helgoland zeigte, wo die acht Ärzte nahezu rund um die Uhr Schwerstverletzte operierten und die vierzig Mitarbeiter des Deutschen Rotes Kreuzes die 200 bis 300 Patienten pflegten und versorgten.
...weiterlesenJosch 21.02.2021, 23.16 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Mein Blogbeitrag etwa zwei Stunden vor dem Sturm aufs Kapitol in Washington
Präsidentschafts-Apocalypse-Now
Kaum ein Thema hat mich neben Covid-19 in den letzten Monaten mehr beschäftigt als der Machtmissbrauch Donald Trumps. Es begann bei mir mit der Wahl am 3. November letztes Jahr. Pessimistisch wie ich manchmal bin – oder sollte man besser sagen: zweckpessimistisch (das Wort gibt es tatsächlich!) –, sagte ich schon Wochen, ja Monate vorher zu meinem Sohn: „Du wirst sehen, der Trump gewinnt die Wahl wieder!“ Hatten mich doch die unzähligen Lügen-Tweets sowie vor allem die Pressekonferenzen zu Covid-19, die Solidaritätsbekundungen und bewaffneten Auftritte seiner Anhänger nach dem Mord an Georg Floyd dermaßen verunsichert, dass sich mein positives Bild, das ich bis zum Amtsantritt Trumps von Amerika hatte, nur noch durch das Anhören der Reden Barack Obamas auf Youtube mühsam aufrecht erhalten konnte.
...weiterlesenJosch 06.01.2021, 17.35 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Querdenker, die den Verstand verloren haben
Das geflügelte Wort "armes Deutschland" ist die Antwort auf einen ungerechten oder unsozialen Vorgang oder auf unverständliches Verhalten. Wir reagieren damit auf etwas, was wir einfach nicht glauben können, was für uns unfassbar ist. Es bezieht sich auf unsere Gesellschaft, auf unseren Staat. Der Spruch "Armes Deutschland" ist ein sprachliches Kopfschütteln, ist ein Zeichen dafür, dass man nichts machen kann. Man muss etwas hinnehmen, auch wenn es einen noch so wütend macht. Armes Deutschland dachte ich kürzlich, als ich las, dass eine 22-Jährige bei einer Anti-Corona-Demo sagte, sie fühle sich wie Sophie Scholl, oder als ich las, dass eine 11-Jährige, die ihren Geburtstag nicht mit Freundinnen feiern konnte, sich mit Anne Frank verglich. Ich war fassungslos. Gut, die Elfjährige ist ein Kind, von dem man nicht mehr erwarten kann. Aber mit 22 Jahren ist man eigentlich erwachsen und für den Mist, den man von sich gibt, verantwortlich, zumal wenn eine derartige Verhöhnung der Widerstandskämpferin auf einer Bühne, also coram publico geschieht.
...weiterlesenJosch 24.11.2020, 19.51 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Verlässlichkeit heißt Sicherheit
Vor einigen Monaten, als wir uns noch ohne Nase-Mund-Schutz und ohne Abstandsregeln beachten zu müssen, sozusagen "frei" bewegen durften, wurde ich auf dem Weg zur U-Bahn von einer jungen Frau gefragt, was mir zu dem Begriff Verlässlichkeit einfallen würde. Der erste Impuls war, der Frage auszuweichen und die junge Frau einfach stehen zu lassen. Doch dann überwog doch die Neugier. Eigentlich doch ganz einfach, ging es mir durch den Kopf. Sich auf jemand zu verlassen, heißt, jemandem vertrauen. Verlässlichkeit heißt Sicherheit, Zuverlässigkeit. Verlässlich sein heißt vertrauenswürdig sein. Während mir, ohne etwas zu sagen, diese Bedeutungen im Kopf herumschwirrten und die Interviewerin neugierig lächelnd auf meine Antwort wartete, dachte ich an den Dieselskandal und Scheuers PkW-Maut, die auf das genaue Gegenteil von Verlässlichkeit hinausliefen. Es wurde ein kurzes, jedoch sehr interessantes Gespräch, bei dem die junge Frau erwähnte, dass sie für ein Meinungsforschungsinstitut unterwegs sei.
...weiterlesenJosch 18.09.2020, 20.42 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Josch 14.05.2020, 09.22 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
Gesellschaft im Wartestand
Die Corona-Seuche schnürt uns ein, fährt unser Leben herunter. Experten geben uns täglich ein „Update“ über den Stand der Pandemie. Sie versorgen uns mit den besten Gegenmaßnahmen und sinnvollsten Verhaltensregeln. Früher hätte man gesagt, sie aktualisieren den Stand der Dinge. Das klingt aber nicht so gut. Die Seuche hat bei vielen Menschen bereits ein erstaunliches Umdenken ausgelöst und zu einer nie für möglich gehaltenen Solidarität geführt. Wir befinden uns im Wartestand: Wird es mich auch erwischen? Wie wird es mir dann gehen?
Was mich am meisten beunruhigt, ist die Ungewissheit: Wie lange wird das alles dauern? Wie lange werden Geschäfte, Buchhandlungen, Cafés und Restaurants geschlossen bleiben, wie lange werden die Reisebeschränkungen dauern? Konstantin Wecker hat vor vielen Jahren auf einem Open-Air-Konzert in Salzburg als Einleitung zu seinem Lied „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ sinngemäß gesagt: Wenn man sich vorstellt, noch dreißig Jahre Leben vor sich zu haben, dann sei das eine ziemlich lange Zeitspanne. Aber nur noch dreißig Sommer vor sich zu haben, das sei erschreckend überschaubar.
...weiterlesenJosch 18.03.2020, 13.33 | (2/2) Kommentare (RSS) | TB | PL
Wenn Nachrichten uns fassungslos zurücklassen
Die Nachricht kam per WhatsApp von seiner Sekretärin. Mit dürren Worten teilte sie den Freunden und Bekannten mit, dass er vor wenigen Tagen verstorben sei, weil er krank war. Ich war schockiert. War er vor zwei Wochen doch noch frisch und kerngesund, als wir uns getroffen hatten. Er hatte weder über Schmerzen noch über eine Krankheit gesprochen, und er war sportlich, voller Tatendrang und Pläne. Er machte einen optimistischen Eindruck auf mich, schien nach vorn zu blicken, war erfolgreich – so schien es jedenfalls. Und: Er war noch jung, zwar nicht mehr der Allerjüngste, aber auch nicht in einem Alter, in dem das Sterben durchaus normal ist. Wenn man das überhaupt so sagen kann.
...weiterlesenJosch 24.10.2019, 13.13 | (0/0) Kommentare | TB | PL