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Zeit der gnadenlosen Jäger
In den letzten Wochen gab es in Deutschland offenbar nur zwei wichtige Themen: das frühe Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft und der Machtkampf in der Union. Gut, das Scheitern der Mannschaft in Russland lässt sich irgendwie nachvollziehen. Millionen Zuschauer haben den Untergang der glorreichen Weltmeister von 2014 aufgrund der vielen Nahaufnahmen, ich möchte fast sagen: hautnah miterlebt. Und Millionen Hobbybundestrainern wäre das nicht passiert.
Was sich aber in der CDU/CSU in den vergangenen Wochen abspielte, lässt den Zuschauer entgeistert zurück. Man sitzt vor dem Fernseher oder schlägt die Zeitung auf und bringt vor Fassungslosigkeit den Mund nicht mehr zu: Da schwingt sich ein grauhaariger Mann mit leicht gebeugtem Rücken auf und spielt den gnadenlosen Jäger, ganz ohne Gewehr, dafür mit einem Altersstarrsinn, wie er in dieser Intensität kaum zu überbieten ist.
...weiterlesenJosch 05.07.2018, 12.28 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Warum bist du hier?
Vor Kurzem hatte der dtv-Verlag zu einem Empfang ins „Café am Rande der Welt“ mit John Strelecky geladen. Dem Autor ist mit seinem Buch, das in Deutschland unter dem Titel „Das Café am Rande der Welt“ erschienen ist und dessen Originaltitel „The Why Are You Here Café“ lautet, ein Weltbestseller gelungen. Strelecky stellt darin auf unterhaltsame Weise existenziell-brisante Fragen: Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? und Führst du ein erfülltes Leben? Eingebettet sind diese Fragen in eine interessante und unterhaltsame Geschichte: Der Erzähler gerät auf der Autobahn in einen Stau. Nichts geht mehr vorwärts. Wie im „realen“ Leben des Protagonisten. Da entschließt er sich zu wenden und von der Autobahn abzufahren. Dabei verfährt er sich hoffnungslos, das Benzin geht zur Neige, keine Ortschaft weit und breit, und es wird Nacht.
...weiterlesenJosch 25.06.2018, 18.43 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Schluss mit der freien Meinungsäußerung!
Ich muss noch einmal auf Özils und Gündogans bedauerlichen PR-Termin in London zurückkommen, bei dem die beiden deutschen Nationalspieler dem türkischen Despoten Trikots ihrer Arbeitgeber überreicht haben und bei dem Gündogan sein Trikot mit „Für meinen Präsidenten“ signiert hat. Nun haben die Fans Gündogan beim Spiel Deutschland gegen Saudi-Arabien bei jedem Ballkontat ausgepfiffen. Und das hat den Bundestrainer Joachim Löw auf die Palme gebracht. Irgendwann müsse doch damit Schluss sein, forderte er. Ein Mensch wie Löw, der in der Öffentlichkeit steht und nicht wenig Einfluss hat, fordert von den deutschen Fans, dass es jetzt genug ist und dass sie endlich mit der Pfeiferei auzufhören haben. Dieses Argument kennen wir in Deutschland sehr gut. Es hat bei uns schon eine lange Tradition. Schluss damit! Schluss mit der Aufklärung! Wo kämen wir da hin, wenn jeder seine Meinung kundtun wollte!
Josch 12.06.2018, 14.44 | (0/0) Kommentare | TB | PL
„Geld regiert die Welt …
… und für Geld tu ich alles“, lässt Generaldirektor Heinrich Haffenloher den Ober in Kir Royal, der wunderbaren Fernsehserie aus den 1980er-Jahren, sagen und gibt ihm einen Tausendmarkschein. So lustig die Szene ist, so bitter ist die dahinterliegende Wahrheit, die Helmut Dietl, dem unvergesslichen Autor und Regisseur der Serie, damit gelungen ist. Bitter insofern, weil die Käuflichkeit von Menschen ein gleichbleibend aktuelles Thema ist. An anderer Stelle sagt der stinkreiche Generaldirektor Haffenloher zu Baby Schimmerlos: „Ich kauf dich einfach, verstehste, Junge (…) Ich scheiß dich so was von zu mit Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast (…) Ich bin dir einfach über.“
...weiterlesenJosch 21.05.2018, 21.51 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Was gegen meine schlechte Stimmung hilft
Es gibt Tage, da will einfach nichts gelingen. Schon beim Aufwachen sind wir muffig, schlecht gelaunt, würden am liebsten liegen bleiben und uns die Decke über den Kopf ziehen. Aber dann stehen wir doch auf. Unsere Mitmenschen sagen dann vielleicht, er ist heute mit dem linken Fuß (oder Bein) aufgestanden. Dabei ist es völlig unerheblich, ob wir mit dem linken, rechten oder mit beiden Beinen zugleich aus dem Bett gestiegen sind. Man wird auch auf dem falschen Fuß erwischt, was ja nichts anderes bedeutet, als dass der Moment gerade ungünstig ist, dass etwas ungelegen kommt und man auf das, was einem gerade passiert, nicht vorbereitet ist.
...weiterlesenJosch 22.04.2018, 20.45 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Angeklagte, Beklagte, Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Zeugen
Der Roman spielt im München der frühen 1950er-Jahre bis herauf ins Jahr 2017. Thirza Zorniger, genannt Tizzi, ist die Tochter von Carlos Zorniger, einem berühmten Schauspieler, und Gudrun Zorniger. Die Ehe von Tizzis Eltern geht schon früh in die Brüche, da Carlos unzählige Affären hat. Thirza wächst nach der Trennung der Eltern bei ihren beiden Großtanten – Schossi und Berti – und den Großeltern in Pasing auf. Der Großvater, ein aus Ostpreußen stammender ehemaliger Strafrichter, in Jura promoviert, streng zu allen, außer zu sich selbst, wird von der Mutter Thirzas wegen seiner früheren Nähe zum Nationalsozialismus verachtet. Wilhelm arbeitete in der Verwaltung des Bayerischen Rundfunks, was ihm bis ans Lebensende zu schaffen machte, und sorgte für den Unterhalt seiner beiden Schwägerinnen und der eigenen Familie. Thirzas Mutter hatte auch Jura studiert, war aber aufgrund der Ehe mit Carlos zum zweiten Staatsexamen gar nicht mehr angetreten. Gudrun stirbt schon sehr früh an Krebs...
...weiterlesenJosch 15.04.2018, 12.58 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Ist Erfahrung Kapital oder Hypothek?
Was ich erlebt habe, das kann mir niemand mehr nehmen. Es gehört zu mir, als sei es ein Teil von mir. Es ist mein Kapital oder meine Hypothek, es macht mich reich oder belastet mich. In jedem Fall ist es jedoch ein ganz wesentlicher Teil dessen, was mich zu dem macht, der ich heute bin. Manches Erlebnis war so intensiv, dass es nach Jahren noch so vor dem geistigen Auge steht, als habe es gestern stattgefunden. Ein Erlebnis wurde zu einer Erfahrung. Wie unterscheiden sich Erlebnis und Erfahrung?
...weiterlesenJosch 09.04.2018, 16.47 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Ostermarsch oder Emmausgang?
Mit Ostern verbinde ich seit jeher den eigentlichen Beginn des Frühlings. Als Jugendliche haben wir – einer Tradition in unserer Gemeinde folgend – tatsächlich häufig am Ostermontag einen ausgedehnten Spaziergang oder besser: eine kleine Wanderung gemacht, meistens in ein etwa sieben Kilometer entferntes, sehr schön gelegenes Dorf. Dort kehrten wir dann im Dorfgasthaus ein und saßen meist bis zum frühen Abend da, tranken, aßen, rauchten, blödelten, schmusten mit unseren Begleiterinnen und ließen es uns gut gehen. Manche aus der Clique waren am frühen Abend bereits ziemlich angetrunken, da sie es nicht gewohnt waren, den ganzen Nachmittag herumzusitzen und zu trinken. Dann mussten wir aufpassen, dass wir auch alle zusammen wieder ohne Probleme nach Hause kamen.
...weiterlesenJosch 02.04.2018, 11.32 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL
„Verloren der Tag, wo nicht einmal getanzt wurde“
Vor Kurzem stieß ich beim Umräumen auf ein paar Bücher, die mir in meinem „früheren Leben“ unendlich viel bedeuteten und die ich schon seit Jahren nicht mehr in der Hand hatte. Thema: spielen, tanzen, darstellen. Ich las mich fest, wie es mir früher oft erging, wenn ich mich mit dem Thema „Spiel“ und „Theater“ beschäftigt habe. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr sich doch die Bedeutung von Spiel in unserem Alltag verändert hat. Denkt man heute nicht in erster Linie an Computerspiele, an Onlinespiele, an sogenannte „YouTuber“, die mehr als ihren Lebensunterhalt mit – wenn man so will – spielerischen Inhalten verdienen? Dabei ist Spiel viel mehr als das letztendlich unpersönliche digitale Spiel im Internet.
...weiterlesenJosch 25.03.2018, 20.02 | (0/0) Kommentare | TB | PL
Literarisch, lebendig, lohnenswert: Leipzig liest
Schon seit längerer Zeit schwärmten Kollegen und Freunde von der Buchmesse in Leipzig. Sie sei bunt, jung, direkt, überschaubar. Die Buchmesse in Leipzig müsse man erlebt haben. Und durch die vielen Cosplayer, die Manga- und Comicfiguren, die die Messe bevölkern, werde die Buchmesse so richtig lebendig. Ich hatte immer meine Bedenken, bin ich doch seit Jahrzehnten konsequent auf der Frankfurter Buchmesse. Dort gehöre ich hin, dort geht es vorwiegend um das Geschäftliche, um Fachbesucher, Verlage, Agenturen, um Lizenz- und Buchgeschäfte.
...weiterlesenJosch 18.03.2018, 18.27 | (0/0) Kommentare | TB | PL